Der Prophet Daniel: Einleitung: Unterschied zwischen den Versionen

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(Der gegenwärtige Stand der Frage)
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Es konnte gegen die kritische Entwertung des Propheten in der Kirche der Gegenwart die Reaktion so wenig ausbleiben wie in der alten Kirche. Denn was wird aus dem Buch nach jener Anschauung? Es ist dann nicht bloß ein sich stets wiederholendes Einerlei, sondern ein untergeschobenes, wenn auch wohl gemeintes Tendenzprodukt, nicht aus göttlicher Eingebung, sondern aus menschlicher Kunst und Berechnung hervorgegangen, bestehend aber aus ersonnenen Heiligengeschichten, die für Tatsachen angesehen sein wollen, aus Geschichtserzählungen, die in der täuschenden Maske von Weissagungen auftreten, und die für uns keinen Wert haben, weil wir sie anders woher besser kennen, endlich aus schwärmerischen Erwartungen und trügerischen Nationalträumen, welche durch die Geschichte in ihrer Unwahrheit erwiesen sind. H e n g s t e n b e r g war es, der auch hier den Kampf mit dem Rationalismus eröffnete. Der schon mehrfach angeführte erste Band seiner Beiträge war es, der auch hier den Kampf mit dem Rationalismus eröffnete. Der schon mehrfach angeführte Band seiner Beiträge zur Einleitung ins A. T. (1831) ist dem Erweis der Authentie Daniels und der Integrität Sacharjas gewidmet; bald darauf hat er im 2. Band seiner Christologie des A. T. (1832) die moderne Auffassung auch auf exegetischem Boden bekämpft. An ihn schloss sich H ä v e n i c k  an mit seinem Kommentar über das Buch Daniel (1832) uns seinen vorzüglich gegen v. Langerke gerichteten "neuen kritischen Untersuchungen" (1838), sowie in der Einleitung ins A. T. (II, 2, 11844, S 435-495)- Seitdem ist die danielische Frage von offenbarungsgläubigem Standpunkt aus in zwei umfassenderen Werken mit behandelt worden, exegetisch von J. Chr. K. H o f m a n n in seiner "Weissagung und Erfüllung" /I1841, S 277-316). kritisch von K e i l in seiner Einleitung ins A. T. (1853, S 438-468).
 
Es konnte gegen die kritische Entwertung des Propheten in der Kirche der Gegenwart die Reaktion so wenig ausbleiben wie in der alten Kirche. Denn was wird aus dem Buch nach jener Anschauung? Es ist dann nicht bloß ein sich stets wiederholendes Einerlei, sondern ein untergeschobenes, wenn auch wohl gemeintes Tendenzprodukt, nicht aus göttlicher Eingebung, sondern aus menschlicher Kunst und Berechnung hervorgegangen, bestehend aber aus ersonnenen Heiligengeschichten, die für Tatsachen angesehen sein wollen, aus Geschichtserzählungen, die in der täuschenden Maske von Weissagungen auftreten, und die für uns keinen Wert haben, weil wir sie anders woher besser kennen, endlich aus schwärmerischen Erwartungen und trügerischen Nationalträumen, welche durch die Geschichte in ihrer Unwahrheit erwiesen sind. H e n g s t e n b e r g war es, der auch hier den Kampf mit dem Rationalismus eröffnete. Der schon mehrfach angeführte erste Band seiner Beiträge war es, der auch hier den Kampf mit dem Rationalismus eröffnete. Der schon mehrfach angeführte Band seiner Beiträge zur Einleitung ins A. T. (1831) ist dem Erweis der Authentie Daniels und der Integrität Sacharjas gewidmet; bald darauf hat er im 2. Band seiner Christologie des A. T. (1832) die moderne Auffassung auch auf exegetischem Boden bekämpft. An ihn schloss sich H ä v e n i c k  an mit seinem Kommentar über das Buch Daniel (1832) uns seinen vorzüglich gegen v. Langerke gerichteten "neuen kritischen Untersuchungen" (1838), sowie in der Einleitung ins A. T. (II, 2, 11844, S 435-495)- Seitdem ist die danielische Frage von offenbarungsgläubigem Standpunkt aus in zwei umfassenderen Werken mit behandelt worden, exegetisch von J. Chr. K. H o f m a n n in seiner "Weissagung und Erfüllung" /I1841, S 277-316). kritisch von K e i l in seiner Einleitung ins A. T. (1853, S 438-468).
  
Es ist nun allerdings nicht zu leugnen, dass diese verdienstvollen Arbeiten noch manches zu wünschen übrig lassen. H e n g s t e n b e r g  und H ä v e r n i k haben auch hier gegenüber den falsch, weil profan-geschichtlichen Auffassungen des A. T. noch nicht völlig den wahrhaft geschichtlichen,  nämlich offenbarungsgeschichtlichen Standpunkt gewinnen können. An der Realität der Offenbarung halten sie mit rühmenswerter Energie fest; aber das historische Verständnis der sukzessiven Entfaltung derselben ist bei ihnen noch nicht zu seinem Recht gekommen. So haben sie hier mit viel Scharfsinn und Gelehrsamkeit die einzelnen Einwürfe widerlegt und in dieser Hinsicht manche Punkte der Frage zu Abschluss gebracht; aber es fehlt noch an einer positiven, zentralen, organisch geschichtlichen Gesamtauffassung unseres Propheten, und die lichtvollen Blicke in dieser Beziehung  z. B. Beitr. 1, S 191-195, treten nur als gelegentliche und vereinzelte Reflexionen hervor. Un  doch muss es sich gerade bei einem Gegenstand, wie der unsrige ist, vor allem darum handeln, die Weissagungen als das organische Produkt desjenigen Offenbarungsstadiums nachzuweisen, in welchem sie entstanden zu sein behaupten. In dieser Beziehung hat H o f m a n n auch für Daniel Namhaftes geleistet und einige Hauptgesichtspunkte angedeutet.  <br/><br/>  
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Es ist nun allerdings nicht zu leugnen, dass diese verdienstvollen Arbeiten noch manches zu wünschen übrig lassen. H e n g s t e n b e r g  und H ä v e r n i k haben auch hier gegenüber den falsch, weil profan-geschichtlichen Auffassungen des A. T. noch nicht völlig den wahrhaft geschichtlichen,  nämlich offenbarungsgeschichtlichen Standpunkt gewinnen können. An der Realität der Offenbarung halten sie mit rühmenswerter Energie fest; aber das historische Verständnis der sukzessiven Entfaltung derselben ist bei ihnen noch nicht zu seinem Recht gekommen. So haben sie hier mit viel Scharfsinn und Gelehrsamkeit die einzelnen Einwürfe widerlegt und in dieser Hinsicht manche Punkte der Frage zu Abschluss gebracht; aber es fehlt noch an einer positiven, zentralen, organisch geschichtlichen Gesamtauffassung unseres Propheten, und die lichtvollen Blicke in dieser Beziehung  z. B. Beitr. 1, S 191-195, treten nur als gelegentliche und vereinzelte Reflexionen hervor. Un  doch muss es sich gerade bei einem Gegenstand, wie der unsrige ist, vor allem darum handeln, die Weissagungen als das organische Produkt desjenigen Offenbarungsstadiums nachzuweisen, in welchem sie entstanden zu sein behaupten. In dieser Beziehung hat H o f m a n n auch für Daniel Namhaftes geleistet und einige Hauptgesichtspunkte angedeutet.  <br/><br/>
  
 
===<big>'''Die Aufgabe des Buches'''</big>===         
 
===<big>'''Die Aufgabe des Buches'''</big>===         

Version vom 17. Mai 2020, 15:03 Uhr

Abschrift des Buches: Der Prophet Daniel und die Offenbarung Johannis
in ihrem gegenseitigen Verhältnis betrachtet und in ihren Hauptstellen erläutert.

Verfasser: Karl August Auberlen (1854)
Verlag: Bachmaier's Buchhandlung, Basel

Kapitel davor: Vorwort
Inhaltsverzeichnis des Buches

In Bearbeitung


Der Prophet Daniel: Einleitung

Die Eigentümlichkeit Daniels

Unter den Propheten des Alten Bundes steht Daniel als eine eigentümliche, von den übrigen nach Form und Inhalt abweichende Erscheinung da.

Sonst ist die Grundform der Prophetie begeisterte Rede; bei Daniel stellt sich die Weissagung in lauter Träumen und Visionen dar. Er schaut sinnbildliche Gestalten und Vorgänge, er hört himmlische Geister reden; und was er also wahrnimmt, das muss er erst nachträglich in menschliche Rede fassen. So berichtet er selber (Dan 7:1), er habe einen Traum gehabt und dann denselben aufgeschrieben und die Hauptsache davon in Worte gebracht (אֲמַֽר). Zwar steht Daniel mit dieser Form der Offenbarung im Alten Testament nicht ganz allein, sie findet sich auch schon da und dort bei früheren Propheten. Wir erinnern an jenes herrliche Gesicht Jesajas (Jes 6.), wo er Jehova, von Seraphim umgeben, im Tempel thronend schaut, an die Visionen des Amos (Am 7-9, an die zwei Feigenkörbe Jeremias (Jer 24) und besonders an Ezechiels zahlreiche Gesichte von den Cherubim, den Gräueln im Tempel, den Würgengeln, dem Totenfeld, dem neuen Tempel usw. (Ez 1:8-11.37.40 ff.). Ebenso ist bei den früheren Propheten die Vision neben dem "Wort des Herrn, das zu ihm geschah", eine seltene Ausnahme, während sie bei Daniel ausnahmslose Regel ist. Nur bei dem späteren Sacharja (Sach 1-6) findet sich aufgrund und nach Vorgang Daniels die gleiche Offenbarungsform, doch auch hier neben der anderen, welche von Sach 7 an herrscht. Völlig gleich steht in dieser Beziehung unserem Propheten nur die Offenbarung Johannis, und man kann daher das Buch Daniels die alttestamentliche Apokalypse nennen.

Eine ähnliche Verschiedenheit findet zwischen Daniel und den anderen Propheten hinsichtlich des Inhaltes statt. Alle Weissagung bewegt sich m den Gegensatz des Gottes- und Weltreichs, Israels und der Heiden. Sonst nun stehen die Propheten inmitten Israels und schauen von innerisraelitischem Standpunkt aus die Zukunft des Reiches Gottes. Die Gottesgemeinde erscheint hierbei überall im Vordergrund; die Weltmächte treten meist nur so weit in den Gesichtskreis, als sie in die unmittelbare Gegenwart oder nächste Zukunft des Volkes Gottes herein greifen, und das eben drohende Weltreich, Assur z. B. oder Babel, wird dann Repräsentant der Weltmacht überhaupt. Oder wo in Abschnitten, wie Jes 13.ff., Jer 46.ff.; Ez 25.ff., die Weissagung sich vorherrschend mit den Mächten dieser Welt befasst, treten dieselben doch nur in ihrer Vereinzelung hervor, und es sind Aussprüche oder "Lasten" über Ägypten, Syrien, Tyrus, Edom, Babel, usw. lose aneinander gereiht. Umgekehrt ist es bei Daniel. Wie er selbst nicht im heiligen Lande und unter dem heiligen Volk lebt und wirkt als Prophet, sondern am babylonischen und persischen Hof als hoher Staatsbeamter: so fällt auch auf den ersten Blick die Entwicklung der Weltmacht als der Hauptgegenstand seiner Weissagung in's Auge, und das Gottesreich erscheint hierbei nur im freilich bedeutungsvollen Hintergrund.

Blicken die übrigen Propheten von Zion aus bald nach Süden, bald nach Norden, bald nach Osten, je nachdem sich das eine oder andere Weltreich vor ihr Seherauge stellt: so überschaut dagegen Daniel vom Mittelpunkt der Weltmacht aus ihre ganze Entfaltung, und erst nachdem sein Blick durch alle diese wechselnden Gestalten hindurch gedrungen, bleibt er am Ende auf Zion ruhen, seine Trübsal und Heimsuchung, aber auch seinen Triumph und seine Verherrlichung erkennend. Nicht mehr nur einzelne, nebeneinander stehendende Weltreiche von größerer oder geringerer Bedeutung sind es, über welche Daniel weissagt, sondern es hat die Periode der Universalmonarchien begonnen, welche alles bezwingend sich nacheinander erheben, und in deren successiver Erscheinung das dem Gottesreich gegenüber stehende weltlicht Prinzip immer gewaltiger und feindseliger sich enthüllt. Damit in genauem Zusammenhang steht dann die weitere Eigentümlichkeit Daniel, dass seine Weissagungen eine viel größere Fülle geschichtlichen und politischen Details enthalten als die aller andern Propheten. Während sonst die Prophetie, das Nahe und das Ferne perspektivisch zusammen schauend, die ganze Zukunft unter den eschatologischen Gesichtspunkt zu stellen und als das Kommen des Reiches Gottes zu fassen pflegt, sieht dagegen Daniel wesentlich auch noch die künftige Weltgeschichte vor sich ausgebreitet, die bis zum Kommen des Reiches verfließen muss. Daher schreibt sich die ihm einzig eigentümliche Spezialität der Weissagung. Wenn diese letztere irgendwo eine Geschichte der Zukunft wäre, so wäre sie's bei ihm.

Diese klar hervortretende Eigentümlichkeit Daniel ist auch von jeher anerkannt worden; schon von den Sammlern des alttestamentlichen Kanons selbst, welche ihrer Erkenntnis dadurch einen Ausdruck gegeben haben, dass sie das Buch nicht unter die Propheten, sondern unter die Hagiographen einreihten. Dasselbe stellt also unserer Forschung allerdings eine besondere Aufgabe des geschichtlichen Verständnisses. Man hat das Problem in neuerer Zeit auf eine sehr einfache Weise zu lösen gemeint, indem man das Buch für unecht erklärte. Es ist nach der herrschenden Ansicht unter Antiochus Epiphanes in den Jahren 170-164 v. Chr. geschrieben, reicht mit seiner Weissagung nur bis auf diesen König herab und prophezeit also vergangene Dinge. Wir nennen diese Ansicht die herrschende; denn sie wird nicht bloß von der extremen, sondern auch von einer besonneneren Kritik als eines ihrer sichersten Ergebnisse bezeichnet und übt daher einen so allgemeinen Einfluss aus, dass auch viele ernste Bibelfreunde unserer prophetischen Kernschrift nicht recht froh werden können. Je wichtiger nun das Wort der Weissagung in jetzigen Zeiten wird, desto sorgfältigere Prüfung erheischt eine so weit verbreitete Meinung. Ehe wir aber zu diesem Zweck an die Betrachtung des Buches selbst gehen, fragen wir billig die Schrift und die Kirche über ihre Ansicht von demselben, um zu sehen, wie weit die gangbare Auffassung göttliches und menschliches, historisches Recht auf ihrer Weite hat. Es ist das umso notwendiger, da der neueste Ausleger Daniels den Schein erregt, als sei die Anerkennung seiner Echtheit nur willkürliche Annahme einiger Moderen, wenn er bemerkt: "Den Schein, in welchem sich das Buch sieht, von Daniel selbst, der mit Nebukadnezar und Cyrus lebte, herzurühren, hat zur zur Wirklichkeit zu stempeln in neuester Zeit Hengstenberg versucht, und Hävernick mit andern hat ihm beigepflichtet.

Das Zeugnis der Hl. Schrift

Vor allem kommt hier das Selbstzeugnis des Buches in Betracht. Daniel nennt sich wiederholt als den Verfasser (Dan 7:1f; Dan 8:1ff; Dan 9:2ff.; Dan 10:1ff., Dan 12:4). Es kann auffallen, dass er dies noch nicht in den sechs ersten, erzählenden Kapiteln tut, sondern erst in den sechs letzten bei seinen eigenen Gesichten. Dieser Umstand hat aber nicht nur an sich nichts zu bedeuten, da die Einheit des Buches jetzt wieder allgemein, auch von den Gegnern der Echtheit anerkannt ist, sondern er erklärt sich auch sehr schön aus dem allgemeinen Charakter des biblischen Schrifttums. In den Geschichtsbüchern der Hl. Schrift sind nämlich die Verfasser in der Regel nicht ausdrücklich genannt, wohl aber meist in den poetischen und prophetischen Schriften des Alten, in den Briefen und der Apokalypse des Neuen Testaments. Dies hat seinen guten Grund. Bei der letzteren Klasse der biblischen Urkunden sind es individuelle Offenbarungen und Aufträge Gottes, welche in den heiligen Schriften niedergelegt werden. Da besteht die Offenbarung eben in dem, was nun aufgezeichnet wird; es ist Wortoffenbarung an dies bestimmten Menschen. Die Verfasser kommen hier nicht bloß als schreibende, sondern zugleich auch als handelnde Personen in Betracht; daher müssen sie sich nennen.

Anders ist es bei historischen Büchern, welche nur Berichte sind von den großen Tatoffenbarungen Gottes. Der Schwerpunkt liegt hier auf den berichteten Sachen, nicht auf den geschriebenen Worten. Der Schreiber verschwindet daher hinter seinem Gegenstand, die Verfasser nennen sich in der Regel nicht. So hat denn auch Daniel als Erzähler sich nicht ausdrücklich genannt, aber als Propheten muss er sich nennen. Was nu dieser Selbstaussage für ein Gewicht zukommt, das wollen wir an dieser Stelle aus dem unparteiischen Mund H a g e n b a c h' s vernehmen, welcher sagt: "In dem Fall, wenn die Verfasser sich selbst als die, unter deren Namen sie schreiben, dargeben, hängt von der Frage über Authentie oder nicht Nichtauthentie auch die über Kanonizität ab."

Doch nicht bloß von sich selbst ist das Buch Daniels so nachdrücklich bezeugt, sondern es hat auch Zeugnis von der übrigen Hl. Schrift. Wer werden unten sehen, wie Sacharja, Esra und Nehemia, vorzüglich aber die Apokalypse auf Daniel zurückweisen. Und dies ist bei den drei erstgenannten Schriftstellern umso bedeutungsvoller, da sie anerkanntermaßen Jahrhunderte vor Antiochus Epiphanes geschrieben haben, mithin auch ein höheres Alter unseres Propheten voraussetzen und erweisen.

Im Neuen Testament finden sich außer der Offenbarung Johannis deutliche Anspielungen auf Daniel 2Thes 2:4 und Hebr 11:33.34: durch jene Stelle erhält die Weissagung, durch diese die Geschichtserzählung unseres Buches apostolische Bekräftigung. Besonders wichtig aber sind die Evangelien. Man ist nicht nur darüber einig, dass Jesus das Grundwort, mit welchem er sich selbst zu bezeichnen pflegte, das Wort Menschensohn, aus Dan 7:13 genommen hat, sondern er spielt auch Mt 26:64 in jenem feierlichen, über sein Leben entscheidenden Augenblick, wo ihn der Hohepriester bei dem lebendigen Gott beschwört, ausdrücklich auf diese Stelle an. Sein Hauptausspruch jedoch ist Mt 24:15, worüber Näheres bei H e n g s t e n b e r g a. a. D. S. 258-270 zu lesen ist. Mag in den kritischen Folgerungen, die man aus diesen Worten Christi gezogen hat, auch hier und da zu weit gegangen worden sein: so viel ist jedenfalls Tatsache, dass der Herr hier mit Ehrerbietung von Daniel als einem Propheten, mithin als einem göttlich inspirierten Mann redet, welcher Dinge geweissagt hat, die auch für ihn und seine Jünger noch zukünftig sind und also über die Zeit des Antiochus weit hinausreichen. Endlich ist auch der Stelle Lk 1:19.26 zu gedenken. Hier erscheint der Engel Gabriel, welcher außerdem in der ganzen Hl. Schrift nur noch Dan 8 und 9 vorkommt; weswegen sich auch S t r a u ß, B r u n o B a u e r und E b r a r d in ihren auf die evangelische Geschichte bezüglichen Werken, jeder in seiner Weise, aus Anlass jener Stelle über unseren Propheten aussprechen. Es wird durch Lk 1 bestätigt, dass die danielische Analogie reale Wahrheit und nicht ein Produkt späterer, aus dem Pazifismus entlehnter Vorstellungen ist.

So hat unser Buch gerade hinsichtlich der drei Punkte, welche der modernen Kritik den meisten Anstoß gegeben haben, hinsichtlich seiner Weissagungen, seiner Wundererzählungen und seiner Engelserscheinungen, das ausdrückliche Zeugnis des Neuen Testaments für sich. Jesus und seine Apostel haben Daniel für einen wirklichen Propheten Gottes und seine Schrift für eine Darstellung wirklicher, gottgewirkter Wunder und Weissagungen in dem von der Kritik bekämpften und ihr diametral entgegengesetzten Sinn gehalten.

Das Zeugnis der Kirche

Bis ins 17. oder eigentlich bis tief ins 18. Jahrhundert hinein hat sich dem gemäß das buch Daniels der einstimmigen Anerkennung seiner Echtheit innerhalb der christlichen Kirche wie der jüdischen Synagoge zu erfreuen gehabt. Und damit ging in der ersteren auch die richtige Auslegung der hier in Frage kommenden Kapitel 2. 7. 9 Hand in Hand, indem die letztgenannte Weissagung auf die Erscheinung Christi im Fleische bezogen wurde, währende man in den beiden anderen Gesichten die vier Weltmonarchien nicht bloß bis auf Antiochus reichen ließ, sondern unter dem vierten Reich das römische verstand. Wahrer als die oben angeführte Bemerkung Hitzig's ist daher, auch in Bezug auf den geschichtlichen Tatbestand, die von M i c h. B a u m g a r t e n : "Dass das vierte und letzte Weltreich kein anderes ist als das römisch, wäre nie zweifelhaft geworden, wenn sich nicht eine Wissenschaft, welche dem Geist der Weissagung widerstrebt, eine Weile der Auslegung der Weissagung bemächtigt hätte.

So stehen also auch in dieser Frage, wie in so vielen anderen, alle früheren Jahrhunderte gegen das eine letzte Jahrhundert, und dieses hat in jenen nur einen einzigen Vorgänger, dessen Bundesgenossenschaft etwas zweideutiger Natur ist. Wir meinen den Neuplatoniker P o r p h r i u s , bei dem seine Bekämpfung der Echtheit Daniels nur einen Teil seiner Bestreitung der Offenbarung und des Christentums überhaupt ausmacht. Von seinen fünfzehn Büchern gegen die christliche Religion ist das zwölfte gegen unseren Propheten gerichtet. Und dieses ist in Auszügen, die uns Hieronymus in polemischer Absicht davon aufbewahrt hat, die eigentliche Rüstkammer der modernen Kritik geworden. Porphyr gibt nämlich genaue und, besonders in Bezug auf Dan 11 wertvolle historische Nachweise, wie die Weissagungen Daniels bis auf Antiochus Epiphanes hin so pünktlich eingetroffen sind. Dies war ihm aber von seinem heidnischen Standpunkt aus nicht anders erklärbar als durch die Annahme einer Voraussage nach der Erfüllung, und daher war es schon ihm gewiss, dass unser buch erst zur Zeit des Epiphanes in Judäa verfasst sei. Quidquid usque ad Antiochum dixerit, veram historiam continere; si quid autem ultra opinatus sit, quia futura nescierit, esse mentitum: so drückt Hieronymus im Vorwort zu seinem Kommentar die Meinung des Gegners aus. Die Kirchenväter traten sehr zahlreich gegen Porphyr in die Schranken. Methodius, Appoinaris, Eusebius von Cäsarea und A. schrieben Apologien , auch für Daniel.

Die Kirchen war sich des kanonischen Wertes und der hohen Bedeutung des Propheten wohl bewusst. Das ersieht man z. B. aus dem Urteil des H i e r o n y m u s, nullum prophetarum tam aperte dixisse de Christo, und von A u g u s t i n, neminem de regni coelorum praemio in Vet. Test. scripsisse tam diserte. Der Streit, welchen heutzutage der Offenbarungsglaube mit der Kritik auszufechten hat, ist also nur eine Wiederaufnahme von jenem, welchen die Kirchenväter gegen Pophyr geführt haben. Es ist das ein Beispiel jener allgemeinen, kirchengeschichtlichen Erscheinung, dass der Kampf, welchen die ersten, christlichen Jahrhunderte, die Zeiten der Apologien, mit außerkirchlichen Gegnern führen mussten, jetzt, im Zeitalter der Apologetik, ein innerkirchlicher geworden ist. Dies hängt, wie wir unter sehen werden, mit der ganzen geweissagten Entwicklung der Kirche zusammen. An der Geschichte unseres Buches muss sich so das prophetische Wort bewähren.

Noch L u t h e r kann sagen: "Das erste Königreich ist der Assyrer oder Babylonier, das anderer der Meder und Perser, das dritte des großen Alexandri und der Griechen, das vierte der Römer. I n - d i e s e r - D e u t u n g - u n d - M e i n u n g - ist - a l l e - W e l t - e i n t r ä c h t i g, und das Werk und die Historien beweisen es auch gewaltig." Überhaupt lese man Luthers Vorrede zum Daniel, welcher diese Worte entnommen sind. Sie gibt auf wenigen Seiten ein treffliches Kompendium der in der Kirch herrschenden Auslegung, wie er sich denn wiederholt auf die Überinstimmeng "aller vorigen Lehrer" beruft. In demselben Sinne haben fast sämtliche Reformatoren, M e l a n c h t o n und C a l v i n , O e c l o m p a d und B u l l i n g e r, von der Wichtigkeit und Göttlichkeit unseres Buches tief durchdrungen, Auslegungen dazu veröffentlicht. Die gleiche Auffassung und Wertschätzung Daniels war in der Kirche bis ins 18. Jahrhundert herrschend. Wir erinnern nur an den großen Naturkundigen I s a a k - N e w t o n (+ 1727) und an den großen Schriftgelehrten J. A. B e n g e l (+ 1752). Von dem letzteren und seinen Schülern wird unten noch öfter die Rede sein. Newton, dem die Grundgesetze, welche für die göttliche Welt- und Reichsregierung gelten, ebenso wichtig waren wie die, welche die Natur beherrschen, schrieb Observation upo the Prophecies of Daniel and the Apocalypse of St. John. Die apokalyptischen Zahlen mochten ihn besonders anziehen, und in diesem Sinne wohl sagt er, namentlich mit Bezug auf die siebzig Jahrwochen, die obigen Urteile der Kirchenväter noch stärker fassend: "Wer Daniels Weissagungen verwerfen wollte, der täte ebenso viel als wenn er die christliche Religion untergraben wollte, die auf die Weissagungen Daniels von Christo gleichsam gegründet wurden."

Der gegenwärtige Stand der Frage

Nachdem S p i n o z a und H o b b e s der Kritik den Anstoß gegeben hatten, begannen die Angriffe auf die Echtheit Daniels von Seiten des englischen Deismus und des deutschen Rationalismus. Man wusste das Buch nicht zu würdigen, weil man den reichsgeschichtlichen Blick verloren hatte; darum verwarf man es. Dies geht recht klar hervor aus S e m l e r s Urteil, er finde "keinen solchen Nutzen darin, als Gott doch am Menschen erreichen will, wenn er ganz besondere Hilfsmittel dazu anwendet." Nachdem J. D. M i c h a e l i s , E i c h h o r n u. A. nur die erste Hälfte des Propheten vor allem die Wundererzählungen Dan 3-6, angegriffen hatten, trat zuerst der bekannte Naturalist C o r r o d i gegen das ganze Buch auf. Die bedeutenderen Leistungen gehören jedoch erst unserem Jahrhundert an. Es sind teils Kommentare, teils Abhandlungen. Von Kommentaren haben diese Ansicht durchgeführt B e r t h o l d t (1806, 1808), C ä s a r von L a n g e r k e (1835), H i t z i g (1850); womit noch zu vergleichen E w a l d , Propheten des A. B. II. S 558ff, der aber nur Dan 9:24-27 auslegt. Unter den Abhandlungen ragt hervor die B l e e k in der theolog. Zeitschrift von Schleiermacher, deWette und Lücke (III. S 171ff) Ihm folgen d e W e t t e in seiner Einleitung ins A. T. K n o b e l in seinem Prophetismus der Hebräer, L ü c k e in seiner Einleitun in die Offenbarung Johannis (2. Aufl 1848, S. 40-60).

Die Gründe der Gegner lassen sich in drei Klassen teilen, dogmatischem exegetische und historische.

Dass auch für die heutige Kritik noch der dogmatische Zweifel an den Wundern und Weissagungen der eigentliche Hintergrund aller übrigen Gründe ist, bezeugt z. B. K n o b e l in einer von d e W e t t e beifällig angeführten Stelle: "Wo in der hebräischen Geschichte sich zahlreiche Mythen und Sagen finden, wie z. B. in der der Patriarchen, des Moses, Bileam, Simson, Elia, Elisa, da liegen allemal Erzählungen vor, welche erst geraume Zeit nach ihren Ereignissen aufgefasst worden sind. Wo dagegen die Tatsachen natürlich erscheinen, wie z. B. in den Büchern Esra, Nehemia, 1.Makkabäer, da ist die Aufzeichnung meist, wenn auch nicht immer, gleichzeitig mit den Ereignissen oder bald nach ihnen erfolgt. Dies ist ein historischer Kanon, an dessen Haltbarkeit nicht gezweifelt werden kann. Daraus folgt aber, dass nicht Daniel, sondern nur ein weit späterer Schriftsteller Verfasser unserer Erzählung, mithin unseres Buches sein könne." H i t z i g hält es daher garnicht mehr für nötig, die Unechtheit desselben zu erweisen, sondern macht die ganzer Frage auf einigen Zeilen ab durch Anführung des Wortes eines Profanhistorikers, "der krassen Ansicht Habernicks über das Alter des Buchs Daniel können kein vernünftiger Mensch beistimmen." Für uns Andere, die wir an Wunder und Weissagungen von Herzen glauben, haben natürlich diese Gründe nicht bloß keinerlei Gewicht, sondern wir können der Kritik für die offene Darlegung ihrer Motive nur dankbar sein, da wir wissen, wessen wir von einer solchen Behandlungsweise der Hl. Schrift abzusehen haben. Man wird uns dann aber auch nicht mehr den Glauben zumuten, dass die Kritik voraussetzungslos und rein historisch zu Werke gehe.

Die exegetischen Gründe kommen darauf hinaus, dass die Beziehung des ganzen Buches auf Antiochus Epiphanes die ungezwungenste, ja die einzig mögliche sei. Mit der Prüfung dieser Hauptinstanz werden sich die folgenden Blätter ausführlich beschäftigen.

Unter den historischen Argumenten ist eines von wirklich geschichtlicher Bedeutung, das Vorkommen von griechischen Namen musikalischer Instrumente (Dan 3., 5., 7.). Aber gerade dieses darf als von den Gegnern selbst wieder aufgegeben angesehen werden. Wenigstens sagt d e W e t t e (S. 386): "M ö g l i c h ist allerdings, dass griechische Instrumente und deren Namen den Babyloniern um diese Zeit bekannt sein konnten." Und auch H i t z i g (S. 44) vermag die Möglichkeit hiervon nicht zu bestreiten (vgl. auch S c h u l t z, Cyrus der Große. Stud. und Kritik 1853 III. S 677 ff.). Die übrigen Gründe, die man z. B. bei d e W e t t e (S 382 ff.) Zusammengestellt finden kann, haben entweder gar keine reichte Beweiskraft, wie das argumentum ex silentio, dass Sirach in Kap 49, wo er Gottesmänner und Propheten preist, des Daniel keine Erwähnung tue, oder gehen sie handgreiflich von Voraussetzungen aus, deren Richtigkeit ebeb erst zu erweisen wäre, z. B. das Argument von den späteren christologischen und angelologischen Vorstellungen, von der Nichtexistenz des Meders (Dan 6:1; Dan 9:1) u, dgl. In dieser Beziehung isst der rationalistischen Kritik von der offenbarungsgläubigen bereits hinlänglich geantwortet. "Die Unechtheit Daniels," bemerkt E b r a r d mit Recht, "hat zur Stütze nur die dogmatischen Bedenken gegen die Möglichkeit einer Weissagung überhaupt und einer so speziellen Weissagung insbesondere; die historischen und sprachlichen Gründer gegen die Echtheit sind durch Hengstenberg und Hävernick hinlänglich widerlegt." (Wissenschaftliche Kritik der evangelischen Geschichte, 2. Aufl. S. 208).

Es konnte gegen die kritische Entwertung des Propheten in der Kirche der Gegenwart die Reaktion so wenig ausbleiben wie in der alten Kirche. Denn was wird aus dem Buch nach jener Anschauung? Es ist dann nicht bloß ein sich stets wiederholendes Einerlei, sondern ein untergeschobenes, wenn auch wohl gemeintes Tendenzprodukt, nicht aus göttlicher Eingebung, sondern aus menschlicher Kunst und Berechnung hervorgegangen, bestehend aber aus ersonnenen Heiligengeschichten, die für Tatsachen angesehen sein wollen, aus Geschichtserzählungen, die in der täuschenden Maske von Weissagungen auftreten, und die für uns keinen Wert haben, weil wir sie anders woher besser kennen, endlich aus schwärmerischen Erwartungen und trügerischen Nationalträumen, welche durch die Geschichte in ihrer Unwahrheit erwiesen sind. H e n g s t e n b e r g war es, der auch hier den Kampf mit dem Rationalismus eröffnete. Der schon mehrfach angeführte erste Band seiner Beiträge war es, der auch hier den Kampf mit dem Rationalismus eröffnete. Der schon mehrfach angeführte Band seiner Beiträge zur Einleitung ins A. T. (1831) ist dem Erweis der Authentie Daniels und der Integrität Sacharjas gewidmet; bald darauf hat er im 2. Band seiner Christologie des A. T. (1832) die moderne Auffassung auch auf exegetischem Boden bekämpft. An ihn schloss sich H ä v e n i c k an mit seinem Kommentar über das Buch Daniel (1832) uns seinen vorzüglich gegen v. Langerke gerichteten "neuen kritischen Untersuchungen" (1838), sowie in der Einleitung ins A. T. (II, 2, 11844, S 435-495)- Seitdem ist die danielische Frage von offenbarungsgläubigem Standpunkt aus in zwei umfassenderen Werken mit behandelt worden, exegetisch von J. Chr. K. H o f m a n n in seiner "Weissagung und Erfüllung" /I1841, S 277-316). kritisch von K e i l in seiner Einleitung ins A. T. (1853, S 438-468).

Es ist nun allerdings nicht zu leugnen, dass diese verdienstvollen Arbeiten noch manches zu wünschen übrig lassen. H e n g s t e n b e r g und H ä v e r n i k haben auch hier gegenüber den falsch, weil profan-geschichtlichen Auffassungen des A. T. noch nicht völlig den wahrhaft geschichtlichen, nämlich offenbarungsgeschichtlichen Standpunkt gewinnen können. An der Realität der Offenbarung halten sie mit rühmenswerter Energie fest; aber das historische Verständnis der sukzessiven Entfaltung derselben ist bei ihnen noch nicht zu seinem Recht gekommen. So haben sie hier mit viel Scharfsinn und Gelehrsamkeit die einzelnen Einwürfe widerlegt und in dieser Hinsicht manche Punkte der Frage zu Abschluss gebracht; aber es fehlt noch an einer positiven, zentralen, organisch geschichtlichen Gesamtauffassung unseres Propheten, und die lichtvollen Blicke in dieser Beziehung z. B. Beitr. 1, S 191-195, treten nur als gelegentliche und vereinzelte Reflexionen hervor. Un doch muss es sich gerade bei einem Gegenstand, wie der unsrige ist, vor allem darum handeln, die Weissagungen als das organische Produkt desjenigen Offenbarungsstadiums nachzuweisen, in welchem sie entstanden zu sein behaupten. In dieser Beziehung hat H o f m a n n auch für Daniel Namhaftes geleistet und einige Hauptgesichtspunkte angedeutet.

Die Aufgabe des Buches

Es handelt sich also darum, die Stellung und Bedeutung Daniels im gesamten Offenbarung-und Schriftorganismus zu erkennen und so ein tieferes Verständnis des Buches aus ihm selbst heraus und aus seinem Zusammenhang mit der ganzen Heilsgeschichte zu gewinnen.

Unser Weg dorthin wird ein rein biblischer sein, unsere Aufgabe aber wird eine doppelte sein. Für's Erste nämlich haben wir zu zeigen, dass in dem Zeitraum, in welchem unsere Schrift nach ihrer eigenen Aussage entstanden ist, im babylonischen Exil, eine Offenbarung, nach Form und Inhalt so beschaffen, wie die danielische, gegeben werden konnte, ja - gemäß der heiligen und freien Notwendigkeit der Liebe Gottes zu seinem Volke, deren Wegen wir n a c h zu sinnen suchen, dar man sagen: gegeben und am meisten umstrittenen Weissagungen unseres Buches, die von den vier Weltmorachien (Dan 2 und Dan 7) und von den siebzig Jahrwochen (Dan 9), näher ins Auge fassen. Es gibt kaum ein anderes Beispiel, an welchem der Zusammenhang von Exegese und Kritik so klar zu Tage tritt, wo falsche Kritik so einfach durch richtige Exegese überwunden werden kann. Denn es lässt sich aus dem Text selbst der Beweis führen, dass jene Weissagungen über Antiochus hinausgehen. Damit aber ist die scheinbarste Instanz gegen die Echtheit des Buches beseitigt, welche ja darin liegt, dass es nur bis auf seine angebliche Abfassungszeit in der makkabäischen Periode weissage.

Wir suchen also einerseits von der Voraussetzung der Echtheit aus das Buch in seiner eigentümlichen und einzigartigen Gestalt zu begreifen, andererseits aus der vorhandenen Gestalt des Buches, aus dem Text und der durch ihn selbst gebotenen Auslegung der Echtheit nachzuweisen. Die Parallelen mit der Offenbarung werden sich hierbei an ihren Orten von selbst darbieten.

Auf diesem Wege, so hoffen wir, werden nicht nur die wichtigsten Punkte, um die es sich beim Buch Daniels überhaupt handelt, zur Sprache kommen, sondern es wird sich auch die Wahrheit und somit die Echtheit desselben dem unbefangenen Leser von selbst innerlich bezeugen. Man darf ja das Göttliche nur mit lichtem Auge anschauen, um es zu lieben und zu ehren. Wie manchem Redlichen, welchem die Zeitvorurteile noch zu mächtig sind, wäre in dieser Beziehung mit F r a n z v. B a a d e r zuzurufen: Wasche deine Augen nur noch etwas heller, tritt hierher auf diese freiere Anhöhe, so wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen! Man erkennt dann, dass der tatsächlich vorliegende Bestand der heiligen Schrift uns historische und moralische Probleme hinstellt, die desto unlösbarer werden, je mehr man sie mit dem bloß profanen Verstand zu lösen sucht; man fühlt, dass es gilt vor dieser Geistesgröße sich zu beugen; man lernt von der Weisheit Gottes groß und von der Weisheit der Menschen klein zu denken. So übt die Wahrheit nach und nach ihren anziehenden und überzeugenden Einfluss aus, und eben indem sie alle Vernunft gefangen nimmt unter den Gehorsam Christi, macht sie uns innerlich frei (2Kor 10:5; Joh 8:32).

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Der offenbarungsgeschichtliche Ausgangspunkt