Der Kampf zwischen den zwei Naturen

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Abschrift des Buches: Die zwei Naturen in dem Kinde Gottes
Verfasser: E. W. Bullinger (1874)

Autorisierte Übersetzung aus dem Englischen:
Verlagsbuchhandlung Hermann Rathmann, Marburg an der Lahn (1957)

In englischer Sprache, hier erhältlich:
Two Natures in the Child of God

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Die zwei Naturen in dem Kinde Gottes

V. Der Kampf zwischen den zwei Naturen

Nachdem wir aus Röm 6-8 so mancherlei über die Kennzeichen der zwei Naturen gehört haben, wollen wir nun untersuchen, was Erfahrung und Schrift darüber sagen, wie sie in derselben Persönlichkeit zusammen wohnen. Dies finden wir hauptsächlich in Röm 7.

Jedes Kind Gottes hat die Erfahrung, aber nicht jedes kennt die Lehre der Schrift. Dadurch entstehen Unruhe und Verwirrung, Zweifel und Angst. Wir werden keine Ruhe finden und keinen Frieden haben, bis wir aus dem Worte Gottes gelernt haben, was dort über den Kampf zwischen den zwei Naturen gesagt ist.

Die Erfahrung dieses Kampfes ist Kummer und Unruhe, und nur die Erkenntnis der wahren Lehre darüber kann diese Not beseitigen. Und sie wird nicht nur beseitigt, sondern wir werden gleichzeitig mit einer unerschütterlichen Gewissheit unserer Gotteskindschaft erfüllt, wie sie größer hier auf Erden nicht möglich ist. Die Erfahrung dieses Kampfes ist das einzige, worin das wahre Kind Gottes sich vom bloßen Bekenner unterscheidet. Der Letztere weiß davon nichts, noch von dem dauernden Bewusstsein des inneren Verderbens, welches diese Erfahrung immer verursacht. Gerade die Tatsache der Erfahrung dieses Kampfes ist daher die beste und die einzige wirkliche Versicherung, welche wir haben können, dass wir aus Gott geboren sind (1Jo 3:9), dass wir sein Werk sind (Eph 2:10) und dass er das gute Werk in uns begonnen hat, welches er fortsetzen und zur Vollendung hinausführen wird (Phil 1:6).

Das richtige Verständnis der Lehre über diese Erfahrung gibt uns Frieden und Trost; ohne sie ist alles Kummer, Unruhe und Verwirrung.

Das bildet den Inhalt von Röm 7. Lasst uns nun sehen, wie sich dieses Kapitel zum ganzen Aufbau des Briefes verhält. Es bildet den Teil eines größeren Abschnitts, der mit Röm 5:12 beginnt und bis zum Ende des 8. Kapitel, Röm 8:39 reicht. Der Gegenstand desselben ist die Sünde (oder die alte, sündige Natur).

Der Aufbau von Röm 5:12 bis Röm 8:39:

A - Röm 5:12-21: Verdammnis vieler zum Tod durch den Ungehorsam eines einzigen, aber Leben und Gerechtigkeit durch den Gehorsam eines einzigen - Jesus Christus
B - Röm 6:1 - Röm 7:6: Wir sind nicht in der Sünde, weil gestorben mit Christus.
C - Röm 7:7-25 : Die Sünde ist in uns, obschon wir mit Christus auferstanden sind.
D - Röm 8:1-39: Verdammnis der Sünde in dem Fleische, aber keine Verdammnis derer, welche Leben und Gerechtigkeit in Christus Jesus haben.

Aus dem Aufbau dieser Stelle ersehen wir, dass der Kampf durch die Sünde (d. i. die alte sündige Natur) entsteht, welche in uns ist, obgleich wir mit Christus auferstanden sind. Das ist der Inhalt des Kapitels 7, vom siebten Vers an (nicht des ganzen Kapitels). Die ersten sechs Verse von Kapitel 7 gehören zu Kapitel 6 (Röm 6:1 - Röm 7:6) und der Zweck des Teiles B ist, zu zeigen, dass wir nicht mehr in der Sünde stehend angesehen werden, sofern wir in Christus gestorben sind.

Der Zweck dieser Verse (Röm 7:1-6) ist, zu zeigen, dass die Herrschaft des Gesetzes nur zu Lebzeiten ausgeübt werden kann (Röm 7:1). Der Tod macht uns los von dem Anspruch des Gesetzes auf uns (Röm 7:2). Dies wird erläutert durch den Vergleich mit einer Ehefrau, die sich wieder rechtmäßig verheiraten darf, wenn ihr Ehemann gestorben ist (Röm 7:3). Die Schlussfolgerung ist, dass wir, die wir mit Christus gestorben sind (Röm 7:4) frei sind von dem Gesetz und mit Christus in einer ganz neuen Lebenssphäre oder einem ganz neuen Boden - im Auferstehungsleben (Röm 7:4) - vereinigt werden können. Wir sind, als mit Christus gestorben, gänzlich frei von der Autorität, der Macht und den Forderungen des Gesetzes.

Dieser Gedankengang kann auf folgende Weise dargestellt werden:
Röm 7:1-6

C / Röm 7:1: Die Herrschaft des Gesetzes während des Lebens.
D / a / Röm 7:2: Der Tod befreit das Weib von den Forderungen des Gesetzes
b / Röm 7:3: Ergebnis: Verbindung mit einem anderen Ehemann.
D / a / Röm 7:3: Unser Tod in Christus befreit uns von den Forderungen des Gesetzes.
b / Röm 7:4: Ergebnis: Verbindung mit Christus.
C / Röm 7:5.6: Befreiung von der Herrschaft des Gesetzes durch den Tod.

Jetzt verstehen wir, dass, obgleich wir nicht mehr in unseren Sünden sind, die Sünde doch in uns ist; und dass von dem Augenblick an, da die neue Natur in uns gepflanzt ist, das Dasein der alten Natur offenbar wird, und der Kampf zwischen beiden beginnt. Dieselben sind wider einander, so dass ihr nicht das tun könnt, was ihr wollt (Gal 5:17). Die zwei Naturen wohnen also nebeneinander in derselben Persönlichkeit. Wenn das Pfropfreis einer Rose auf einen wilden Rosenstock oder einen eines Apfels auf ein Holzapfelbäumchen gesetzt wird, so ist es ein Baum; aber alles, was von dem Pfropfreis hervorgebracht wird, ist eine neue Fruchtart, während alles, was von dem alten stamm, unterhalb des Pfropfreises hervorgebracht wird, von der Natur des alten Baumes ist und mit dem Messer sorgfältig und beständig abgeschnitten wird.

Die Erfahrung ists so sehr verwickelt, dass es für die Sprache des Menschen schwierig ist, sie zu beschreiben oder zu erklären. Nur das Wort Gottes vermag dies, sonst nichts. Es scheidet das, was von der Seele (d. h. seelisch, natürlich, von der alten Natur) ist, und das, was vom Geist (d. h. von der neuen Natur) ist, und vermag zu richten (ja, zu verdammen) die Gedanken und Gesinnungen des Herzens (d. i. der alten Natur) (Hebr 4:12).

Aus dem Herzen (der alten Natur) kommen alle bösen Gedanken (Mt 15:18-20). Das Wort Gottes ist fähig, diese Gedanken und Gesinnungen zu richten; und es befähigt uns, zu beurteilen und zu scheiden, was zur alten und was zur neuen Natur gehört.

Da die zwei Naturen in derselben Person sind, bezieht sich das Ich in Röm 7 bald auf die eine und bald auf die andere Natur. Daher lesen wir Röm 7:18: Denn ich weiß (als eine Tatsache aus dem Worte Gottes) dass in mir, das ist in meinem Fleisch (meiner alten Natur), nichts Gutes wohnt. Denn das Wollen (des Guten) habe ich wohl, aber das Vollbringen dessen, was gut ist (des guten Willens), finde ich nicht. (Röm 7:19): Denn das Gute, das ich will, über ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. (Röm 7:20): Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die Sünde, welche in mir wohnt. (Röm 7:21: So finde ich nun das Gesetz in mir, der ich das Gute ausüben will, dass mir das Böse anhanget. (Röm 7:22): Denn ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inwendigen Menschen (der neuen Natur); (Röm 7:23): aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes (oder der neuen Natur) widerstreitet und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.

Hier haben wir die ganz ausdrückliche Erklärung, dass die neue Natur (der inwendige Mensch und der Sinn genannt), Wohlgefallen hat an dem Gesetz Gottes, während gleichzeitig die alte Natur (das Fleisch genannt) da ist welcher es gefällt, ihrem eigenen Gesetz zu gehorchen und welche einen beständigen Krieg führt gegen die neue Natur.

Das Ende des Kampfes

Das Ergebnis dieser unaufhörlichen Fehde ist das Elend, welches das Ich veranlasst, im nächsten Vers auszurufen: Ich elender Mensch! (Röm 7:24) wer wird mich erlösen von diesem Leibe des Todes* (diesen zum Tode bestimmten Leib)? Ich danke Gott**, durch Jesum Christum, unsern Herrn. Ja, er wird alle, welche diesen Kampf in sich haben, auf dem einzig möglichen Weg erlösen: entweder durch Tod, Entrückung oder Auferstehung. Nur in der Entrückung oder in der Auferstehung wird der Tod verschlungen in den Sieg. Dann werden wir nicht mehr rufen: Ich elender Mensch, sondern Tod, wo ist dein Stachel? Hölle wo ist dein Sieg? Das wird das Ende des Kampfes sein. Ich danke Gott (er wird mich erlösen) durch Jesum Christum; so rufen die Gläubigen jetzt in Geduld und Glauben. Der Augenblick wird aber kommen, wo sie gewissliche ausrufen werden: „Gott sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesum Christum.“ (1Kor 15:54-57)

*Die muss als der Genitiv der Beziehung aufgefasst werden, wie Röm 8:36, wo das griechische „Schafe des Schlachtens“ übersetzt wird: „Schlachtschafe“, d. h. zum Schlachten bestimmte Schafe. Diese Lehre ist enthalten und vorgetragen Röm 6:12 und Hebr 9:27.
** Einige wie Lochmann, Tischendorft, Tregelles, Westcott Horst u. a. lesen: Aber Gott sei Dank.

Im Blick auf diese beglückende Hoffnung schließt diese Enthüllung wohl mit der Ermahnung: „Seid fest, unbeweglich, allezeit überströmend in dem Werke des Herrn.“ Lasset euch nicht irremachen durch die wechselnden Erfahrungen in diesem Kampfe. Freuet euch aber über die gegenwärtige Zusicherung der Gnade, dass ihr vollkommen werden sollt in Christo Jesu; freuet euch über die Verheißung des zukünftigen Sieges, wenn wir gleich sein werden seinem eigenen Leibe in Herrlichkeit. So werden wir frei sein für die Arbeit im Werke des Herrn; ja wir werden dann überströmen in demselben. Wir werden uns nicht länger abmühen, den Feind zu vernichten oder einen zeitweiligen Sieg über ihn zu erringen, wir werden vielmehr vorwärts blicken auf den großen Endsieg, welchen er verheißen hat, zu geben.

Falsche Heiligungslehre

Es gibt eine Richtung der modernen Heiligungslehre, bei der diese Wahrheit ihrer ganzen Schönheit und Kraft beraubt wird. Sie gibt die Tatsache des Kampfes in uns zu, will uns aber zu dem hoffnungslosen Versuch antreiben, die alte Natur zu verbessern oder auszurotten.Im besten Falle bringt dies uns dahin, dass wir uns mit uns selbst beschäftigen, aber die ausdrücklichen Versicherungen des Wortes Gottes missachten, nämlich, dass die alte Natur, oder das Fleisch niemals verwandelt werden können.

Vorausgesetzt, die alte Natur könnte ausgerottet werden, wohin soll sie denn gehen? Was wird aus ihr? Sie ist Fleisch und nichts außer Tod und Auferstehung oder Entrückung kann die Bürde des Fleisches beenden. Weder die vollkommenste Hingabe (Auslieferung), noch der höchste Grad des Glaubens kann das Fleisch hinwegtun. Es ist aus dem Fleisch geboren und ist Fleisch. Es ist so viele Zentner schwer! Wie kann das ausgerottet werden? Und wer soll es ausrotten?

Zu solchen Verwirrungen kommen wir, sobald wir Ausdrücke gebrauchen, die nicht schriftgemäßen sind. Das Wort Ausrottung ist jedoch nicht nur nicht-schriftgemäß, es ist sogar schriftwidrig. Das Schriftwort heißt Befreiung und Sieg und zwar nicht Sieg über Sünden als solche, sondern über die Sünde selbst, über diesen zum Tode bestimmten Leib. Diese Befreiung wird nur in der Entrückung oder der Auferstehung erfahren werden.

Wir sind hier erlöst von unseren Sünden, und zwar jetzt schon. Unsere Errettung durch und in Christus macht uns dessen gewiss (Röm 4:25). Gerade um dieser Sünden willen wurde er dahin gegeben (Röm 3:25). Gott hat sie ausgetilgt, sie sind alle vergeben und zugedeckt (Röm 4:7). Wir sind nicht mehr in unseren Übertretungen und Sünden. Wir waren einmal in ihnen, wie geschrieben steht: Auch euch (hat er lebendig gemacht), (Kol 2:13) als ihr tot wart in (euren) Übertretungen und Sünden, in welchem ihr einst wandeltet nach dem Lauf (griech. Aion = Zeitlauf) dieser Welt (Eph 2:1-3), nach dem Fürsten, der in der Luft herrscht, nach dem Geist, der jetzt wirket in den Söhnen des Ungehorsams (oder Unglaubens); unter welchem auch wir einst alle unsern Wandelt hatten (oder unser Leben zubrachten) in den Lüsten unseres Fleisches (oder der alten Natur), indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken (unseres Herzens, oder der alten Natur) taten und von Natur Kinder des Zorns* (zum Zorn bestimmt) waren, wie auch die übrigen. Denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes auf die Söhne des Ungehorsams (oder Unglaubens) (Eph 5:6)

* Griechisch: „Kinder des Zorns“; aber ist der Genitiv der Beziehung wie in Röm 8:36. Siehe oben über Röm 7:24.

Die Sünde und Sünden

Aber von allen diesen Sünden sind wir erlöst worden und aus der weiten ferne nahe gebracht durch das Blut Christi.’'’

Wir sind nicht in unseren Sünden;
aber Sünde ist noch in uns.

Das ist das große Thema von Röm 7. Wir fühlen die Triebe und den Hang zur Sünde; ja wir fühlen sie am meisten dann, wenn wir Gutes tun wollen.

Diese Erfahrung ist allerdings traurig. Es scheint, als ob die alte Natur viel bösartiger sei, weil die neue vorhanden ist. Die neue Natur scheint die alte aufzureizen und ihren Widerstand noch erbitterter zu machen. Es ist gerade, wie wenn ein alter Mieter den Einzug eines neuen übelnimmt. Erst wenn der neue Mieter sein gesegnetes Licht im Hause verbreitet, sehen und erkennen wir die Schäden und Mängel des alten. Dann sind wir ganz erstaunt, Neigungen und Lüste in uns wahrzunehmen, von deren Vorhandensein wir vorher keine Ahnung hatten. Einst ließen wir diesen Lüsten freien Lauf und hatten keine Empfindung für ihr wahres Wesen und ihre hässliche Art. Jetzt ist aber ein neuer Wille da, der die Glieder leitet. Diese standen einst unter der unumschränkten Herrschaft des alten Willens; nun aber sind sie von seiner Knechtschaft freigeworfen. Der alte Wille herrscht nicht mehr über sie. Der alte Wille ist zwar noch in uns und tut, was er kann um unsere Glieder zu beeinflussen, aber er hat nicht mehr die Macht über sie. (Röm 6:14).

Der Widerstreit zwischen den zwei Naturen in dem Kind Gottes kann mit dem auf einem Schiff verglichen werden, an dessen Bord die Eigentümer einen neuen Kapitän gesetzt haben. Der alte Kapitän hat so lange den Befehl geführt, und seine Feindschaft gegen die Eigentümer ist so groß, dass er mit dem Schiff umging, als ob es ihm gehörte. Die Mannschaft hielt er in völliger Knechtschaft. Sie war ihm ganz ergeben, da sie nie eine andere Herrschaft gekannt hatte. Wäre das der Fall gewesen, ,so hätte sie verstanden, was wahrer Freiheitsdienst ists. Von Zeit zu Zeit hatten sie wohl etwas davon gehört; auch kamen sie an anderen Fahrzeugen vorüber, welche, wie sie sofort sahen, von ihrem eigenen ganz verschieden waren. Nun aber, da der neue Kapitän die Vollmacht bekommen hat, fangen sie an, den Unterschied herauszufinden. Der neue Kapitän hat von nun an stets die Herrschaft über das Steuer und die Ladung des Schiffes. Das Schiff ist dasselbe, die Mannschaft ist dieselbe; sogar der alte Kapitän bleibt an Bord. Das Instruktionsbuch, welches der neue Kapitän an Bord gebracht hat, sagt, dass der alte Kapitän gerichtet und verurteilt ist. Sie können ihn zwar nicht an Land setzten oder über Bord werfen, aber er führt das Schiff nicht mehr. Von Zeit zu Zeit versucht er wohl wieder die Herrschaft über das Steuerrad zu bekommen, ,aber vergebens. Manchmal gelingt es ihm, seinen alten Einfluss auszuüben, indem er unter einigen Gliedern der Besatzung Missmut erregt; denn er kennt sie und ihre Schwächen gut, aus der Zeit, da er über sie herrschte. Gelegentlich überredet oder verführt er einige von ihnen zum Ungehorsam, welchen sie hernach tief bedauern.

Doch an die Schiffspapiere kann der alte Kapitän nicht mehr kommen. Diese sind nun ganz außer seinem Bereich. Er kann weder die Fahrtrichtung des Schiffes noch den Hafen verändern, nach dem es steuert. Er liest das Instruktionsbuch nicht, und wenn er hineinschaut, so versteht er es doch nicht. (1Kor 2:14).

Die Schiffsmannschaft war einst für ihn ein gehorsames Werkzeug und führte nur seinen Willen aus; aber jetzt ist keines ihre Glieder mehr verpflichtet, seinen Befehlen zu gehorchen oder seine Autorität anzuerkennen. Sie sind davon befreit und stehen hinfort unter den Befehlen des neuen Kommandanten. Sie halten den alten Kapitän für bereits verurteilt (Röm 6:11) und erwarten nur noch die Vollstreckung des Urteils. Was seine Gewalt über die Matrosen betrifft, so haben sie sich selbst für gestorben (so gut wie tot) zu halten, soweit es sich um Befehle des alten Kapitäns handelt.

Freigemacht in Christo

Dieses Gleichnis erklärt uns die Stelle Röm 6:17-19: Gott aber sei Dank, dass (obgleich)* ihr Knechte (oder Sklaven) der Sünde wart, aber von Herzen gehorsam geworfen seid dem Vorbild** der Lehre, welchem ihr übergeben worden seid. (Röm 6:18) Und freigemacht von (der Herrschaft) der Sünde, seid ihr Knechte der Gerechtigkeit geworfen. (Röm 6:19) (Ich rede menschlich wegen der Schwachheit eures Fleisches): denn gleichwie ihr (einst) eure Glieder gegeben habt zum Dienst der Unreinigkeit und der Ungerechtigkeit zur (zu wirken) Ungerechtigkeit, also gebet nun eure Glieder zum Dienst der Gerechtigkeit zur (zu wirken) Heiligkeit."

* Es ist klar, dass das Wörtchen en (obgleich), hier erfordert wird durch das nachfolgende de (aber) in der Apodosis (dem nächsten abhängigen Satzteil). Die Elipsis muss deshalb im ersten Satzteil durch das Wort „obgleich“ ergänzt werden.
** griechisch: (typos) Vorbild

Wir wurden darum nicht nur von unseren Sünden erlöst, sondern auch diesem Vorbild oder dieser Lehre unterstellt, wenn wir Christus also gelernt haben (Eph 4:20).

Die Frage ist aber die: Haben wir Christus so gelernt? und haben wir eine Erfahrung von der wunderbaren Erlösung, welche wir in ihm und durch ihn erlangt haben? Das ist die Anwendung, welche der Apostel von diesem Vorbild der Lehre macht, die Röm 6 gegeben ist. Nachdem er davon sprach, wie die anderen Heiden wandeln, welche diese Erlösung nicht kennen, wendet er sich an diese Heiligen in Ephesus und sagt: „Ihr aber habt Christum nicht also gelernt, wenn ihr anders ihn gehört habt und von ihm gelehrt worden seid, wie (die) Wahrheit in dem Jesus ist (Eph 4:20), dass ihr von euch abgelegt habt (alles) nach dem vorigen Wandel den alten Menschen, der nach seinen betrügerischen Lüsten verdorben ist, aber erneuert werdet in dem Geiste eurer Gesinnung (oder neuen Natur), und angezogen habt den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit (Eph 4:21). Deshalb, da ihr die Lüge abgelegt habt, redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind Glieder untereinander. (Eph 4:20-25).

Diese Stelle spricht von dem, was die Epheser infolge des Empfangs der neuen Natur getan hatten. Sie sagt ihnen nicht, was sie tun sollten. Es wurde ihnen nicht gesagt, sie sollten den alten Menschen ablegen. Das war schon geschehen. Sie werden erinnert an das, was sie bereits von oder über Christus gelernt haben, und an die glückliche Lage des Gläubigen in dem Widerstreit zwischen den zwei Naturen. Dies ist die Wahrheit, worüber die Glieder des einen Leibes miteinander reden sollten. Wir sollen einander daran erinnern, dass der alte Mensch seiner Herrschaft enthoben worden ist, und dass wir unter die Herrschaft des neuen Menschen gebracht worden sind (Eph 4:25).

Dies Aussageweisen und Zeitformen (Modi und Tempora) in dieser Stelle müssen sorgfältig beachtet werden. Denn, wenn wir die Lehre von den zwei Naturen nicht genau kennen, so entgeht uns der ganze Sinn dieses Abschnitts; und wird der Sinn nicht richtig erkannt, so können auch wir die Aussageweisen und Zeitformen nicht verstehen. Es handelt sich durchweg um Infinitive (Grundformen) der Vergangenheit und nicht um Imperative (Befehlsformen) der Gegenwart. Es sind nicht Gebote für uns, das zu tun, was bereits getan worden ist. Diesen Heiligen in Ephesus wurde hier nicht gesagt, etwas abzulegen oder anzuziehen, sondern, da alles für sie und für uns von Gott getan ist, wird ihnen nur geboten, von dieser kostbaren Wahrheit mit den anderen Gliedern des einen Leibes zu reden. Das sollen wir tun, wenn wir so den Christus (d. i. Christus) geistlich oder innerlich gelernt und ihn gehört haben und in ihm gelehrt worden sind. (Eph 4:21)

Wir werden dies nicht tun, wenn wir auf Menschen gehört haben und durch Menschen gelehrt worden sind. Menschen werden uns lehren und sagen, dass wir die Pflicht haben, unser Leben daran zu setzen, den alten Menschen auszuziehen, und uns zu bemühen den neuen Menschen anzuziehen. Sie werden uns in diese hoffnungsvolle Arbeit hineintreiben und unter eine neue Art Knechtschaft bringen, welche um so trügerischer und gefährlicher ist, weil sie ein gutes Werk zu sein scheint. Es ist aber gleichwohl Knechtschaft.

Das Vorbild der Lehre

Es ist nicht die Wahrheit, welche wir von Christus lernen. Es ist nicht das Vorbild der Lehre, dem wir unterstellt worden sind. Wir wurden nicht von einer Knechtschaft erlöst, um in eine andere zu geraten, so einleuchtend dies auch scheinen mag.

Entweder wissen die Menschen, die so lehren, nichts über die Lehre von den zwei Naturen und sind den Regeln und Vorschriften unterworfen, welche die alte Natur (die einzige, die diese Menschen kennen) beherrschen; oder, wenn man diese Lehre kennt, ist sie verdorben durch Unkenntnis alles dessen, was durch ihn gelehrt ist über unsere gegenwärtige Erlösung von der Herrschaft des alten Menschen durch das Dafürhalten des Glaubens und über die zukünftige Befreiung von ihr in der Auferstehung (Röm 6:11; Röm 7:24; 1Kor 15:57). Dem gemäß verkehren die Menschen diese gesegnete Lehre, indem sie versprechen, dass, wenn wir ihre Vorschriften befolgen, wir jetzt die alte Natur loswerden können durch das eigene Tun der Übergabe; und so bahnen sie den Weg für eine gänzliche Missachtung und Ausschaltung der einzigen Erlösung, welche Gott mit der Entrückung oder der Auferstehung durch unseren Herrn Jesus Christus verheißen hat, indem der Tod als unsere Hoffnung an deren Stelle gesetzt wird.

Aus diesem Grund ging für die große Mehrheit der Gläubigen so lange die selige Hoffnung auf das Kommen des Herrn verloren. Aus diesem Grund wurde die Hoffnung der Auferstehung durch die babylonische Überlieferung vom Tod und einen Zwischenzustand ausgeschaltet. Leider wird diese Überlieferung allgemein an die Stelle des Wortes Gottes gesetzt.

Es gibt Verpflichtungen, welche die Lehre über die zwei Naturen uns auferlegt, und es gibt praktische Unterweisungen in Bezug auf die beiden Naturen; dieselben sind aber alle in voller Übereinstimmung mit den Lektionen, welche wir in der Schule der Gnade lernen, wo die Gnade selbst unser Heil und unser Lehrer zugleich ist (Tit 2:11-13).

Lies weiter:
VI. Unsere Aufgaben der alten Natur gegenüber