Das antichristliche Reich der Endzeit

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Abschrift des Buches: Rom - Babel - Jerusalem
Der Weg der Menschheit im Licht der Schrift bis zur Vollendung des Gottesreiches

Verfasser: G. Thaidigsmann (Pfarrer in Waldbach) (1928)
Verlag: Gebrüder Schneider, Karlsruhe i. B.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
2. Der Abschluss des 6. Reiches

3. Das antichristliche Reich der Endzeit

Der letzte Weltherrscher

Damit sind wir in die Beschreibung des antichristlichen Reiches eingetreten. Worin besteht dessen Fortschritt gegenüber der ganzen bisherigen Entwicklung? Da wird, um einen kurzen Ausdruck zu gebrauchen, alles auf die Spitze getrieben. Aus der Menschheit heraus, und doch zugleich teuflisch geleitet, und völlig dem Satan dienstbar und von ihm zu Ehren gebracht, erscheint der Mensch der Sünde, d. h. der Mensch, dessen ganzes Wesen Sünde ist. Bis dahin war in jedem Menschen noch wenigstens ein göttlicher Funke, wenigstens EIN Punkt, wo Sehnsucht bestand nach dem lebendigen Gott, und wo Er anknüpfen konnte. Bei dem Menschen der Sünde ist das nicht mehr der Fall. So stellt dieser Mensch die Spitze der von Gott abgewichenen Menschheit dar, in dem doppelten Sinn, dass in diesem Mann zur Reife gekommen, und auf die Spitze getrieben ist, was in der Menschheit an Un- und Widergöttlichem auftauchte durch die Länge der Zeiten hindurch, und über die Breite der Erde hin; und dass er deshalb auch an die Spitze der Menschheit kommt, in die überragende Führerstellung, wie sie vorher noch kein Menschheitsführer eingenommen hat, auch beim Turmbau nicht. Er bekommt tatsächlich seinem Wesen nach die abgefallene Menschheit verkörpert, weil die Menschheit ihn anerkennt, und weil er ihr vom Fürsten dieser Welt zum Regenten bestellt wird.

Auf diese Weise wird diese Führerpersönlichkeit der Endzeit zum Antichrist. Das Wort kommt zwar nicht in der Offenbarung vor - dort wird er abwechselnd mit dem antichristlichen Reich, das er verkörpert, schlechtweg mit Tier genannt; aber im 1Jo 2:18. Aus dieser Stelle geht zugleich hervor, dass das Wort vom Antichristen von Anfang an zum eisernen Bestand der christlichen Erkenntnis gehörte. Antichristus heißt Gegenchristus und hat einen doppelten Sinn: er ist das Gegenstück zum Christus und zugleich sein Widersacher. Er steht dem rechten Christus gegenüber als sein vollendetes Gegenteil. Er ist auch ein Christus, d. h. ein kraft Salbung mit einem überragenden Amt innerhalb der Menschheit Beauftragter. Aber seine Salbung stammt aus der Tiefe, sein Auftraggeber ist der Satan, sein Amt besteht darin, die Lostrennung der Menschheit von Gott vollständig zu machen. Darum ist er der geschworene Feind eines jeden, der ein göttliches Amt hat.

Vor allem ist er der Feind Christi, weil der Christus die Gott wohlgefällige Menschheit herstellen soll. Aber er ist auch der Feind der Organe Christi in dieser Welt, des Gottesvolks in seiner nationalen Gestalt oder des rechten Israels, wie es sich gerade in den Zeiten des Antichrists aus dem Judentum herausbildet, und des Gottesvolks in seiner, aus allen menschlichen Verhältnissen gesammelten, aber an keine menschliche Form gebundenen Gestalt, also der Gemeinde Jesu. Christus selber ist seiner Feindschaft entzogen; darum macht er sich an seine beiden auf der Erde erreichbaren Organe. Solange diese beiden vorhanden sind, ist der Auftrag des Antichrists der Menschheit gegenüber noch nicht vollendet. Deshalb müssen die beiden beseitigt, aus der Menschheit ausgetilgt werden.

Aber ehe der Kampf und seine geschichtliche Voraussetzungen dargelegt werden, ist noch ein Wort zu sagen über die Art, wie das Aufkommen des Antichrists vorstellbar ist.

Die Aussagen über die Wunde des Tieres (Offb 13:3) und über dessen Wiedererstehen aus dem Nichtsein (Offb 17:8) sind hierfür verwendet worden, indem man diese Aussagen auf den Antichrist deutete. Dann ergäbe sich der Sinn, dass der Antichrist eine Zeit des Niedergangs erleben werde, aus dem er sich zu um so stolzerer Höhe erheben werde. Weiter ist der Gedanke erwogen worden, ob er nicht eine kraft teuflischer Machtwirkung aus der Totenwelt wiedererstehende geschichtliche Persönlichkeit früherer Zeit sein werde. Nach Offb 17:11 müsste die letztere zur Zeit des Empfangs der Offenbarung bereits der Vergangenheit angehört haben. Hätte die letztere Deutung recht, dann wäre das Geheimnis des Antichrist noch größer als es vorher schon ist. Seine Einsetzung als Weltherrscher wäre in diesem Fall eine teuflische Nachäffung der Auferweckung Christi und seiner Erhebung zum Thron.

Weil der Antichrist das Gegenbild Christi ist, deshalb ist eine solche Möglichkeit nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Aber die Zahl der in Betracht kommenden Persönlichkeiten ist dann beschränkt. Es ist an Antiochus Epiphanes gedacht worden, jenen Vertreter der griechischen Weltmacht, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dem alttestamentlichen Gottesvolk seine göttliche Sonderstellung, und seinen göttlichen Beruf zu entwinden. Darum scheint er sich auch für die gleiche Aufgabe gegenüber dem neuerstehenden Gottesvolk, und gegenüber der Gemeinde Jesu zu eignen. Es ist auch schon an Judas Ischarioth gedacht worden. Dann wäre mit dem Verrat Jesu dessen Rolle noch nicht erschöpft.

Ohne die Möglichkeit der vorliegenden Deutungen ganz bestreiten zu wollen, muss aber doch gesagt sein, dass das Wort von der Wunde des Tieres, und von seiner Wiederherstellung, gar nicht vom persönlichen Antichrist verstanden werden muss. Mit dem Tier ist zunächst die Weltmacht selber gemeint. Zwar nicht in dem Sinn, dass eines der Weltreiche vor dem römischen Reich wieder in seine alte Führerstellung einrücken werde. Vielmehr ist an den Versuch der ersten Menschheitsorganisation im ältesten Babel zu denken. Eine solche Eigenherrlichkeit wie damals war auch zur Zeit des gewaltigen Römerreichs nicht mehr vorhanden. Einst aber, wenn das antichristliche Reich unter seinem Führer fertig dasteht, dann wird es der Menschheit jubelnd zum Bewusstsein kommen: jetzt ist es wieder erreicht, was die Jahrtausende hindurch verschwunden war! Und es ist noch viel größer und herrlicher! Die tödliche Wunde ist geheilt, das Reich ist wieder erstanden! Denn die Wiedererstehung Babels wird die Erinnerung an jene alte Zeit wieder wecken.

So sind wir hinsichtlich der Herkunft des Antichrists auf Vermutungen angewiesen. Sehr nahe legt sich die, welche in ihm ein Glied des jüdischen Volkes sieht. Zu Israel gehört der Christus; so wäre es kein Wunder, wenn diesem Volk auch der Antichrist entstammen würde. Der Christus und das Israel nach dem Geist gehören zusammen; der Antichrist ist die äußerste Spitze des, unter satanischem Einfluss geratenen Gottesvolkes. Hat das Judentum im 7. Reich die Vorherrschaft, so wäre die Zugehörigkeit dieses Mannes zum Judentum nur die geradlinige Fortsetzung der bisherigen Entwicklung. Denn das 7. Reich leitet ja zur Endgestalt der Menschheit hinüber. Vollends wenn die Menschheit am Ausgang des 7. Reiches sich in voller Auflösung befindet, wie aus der Schilderung des 2. Wehes anzunehmen ist, dann wäre es nur natürlich, wenn ein Glied dieses Volkes, die seinem Volk entgleitenden Zügel in die Hand nähme, um die ganze Lage zu retten. Endlich wäre es ein Triumph des Satans, wenn es ihm gelänge, gerade durch das Gottesvolk und durch einen Führer aus dessen Mitte, die Lösung der Menschheit von Gott und dem Christus zu vollenden. Weitere Gedanken, die ein genaueres Bild vom Aufkommen des Antichrists vermitteln, werden bei Besprechung von Offb 13 zur Sprache kommen.

Die Entwicklung des Reichs und seine Hauptstadt

Über die politische Entwicklung des antichristlichen Reichs enthält die Offenbarung nur wenige Angaben. Völlig einheitlich ist auch dieses Reich am Anfang nicht. Offb 17:12.13 ist von den schon öfter erwähnten 10 Königen die Rede. Die politische Einheit des letzten Menschheitsreichs muss vom Antichrist erst geschaffen werden. Aber er muss sie nicht erst erzwingen, sondern sie fällt ihm von selber zu, indem sich diese einzelnen Mächte ihm zur Verfügung stellen. Wie früher ausgeführt, wird Dan 7:8 hierher zu ziehen sein, in dem Sinn, dass das zwischen den 10 Hörnern aufschießende kleine Horn auf den Antichristen zu deuten ist. Dann ergäbe sich der Sinn, dass drei dieser Mächte vom Antichristen gedemütigt werden, worauf die andern sich freiwillig zur Unterstellung unter ihn entschließen. Von dieser Schriftstelle war bereits S. 313 ff. die Rede. Sie wird wohl eine mehrfache Erfüllung haben.

Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der ganzen Welt werden vom Antichristen vollständig beherrscht. Das geht daraus hervor, dass sogar der ganze wirtschaftliche Verkehr von der Verehrung dieses Mannes bestimmt ist: kaufen und verkaufen kann nur, wer das Zeichen des Antichrists trägt (Offb 13:16.17). Die wirtschaftlichen Kämpfe, die sich um die Worte Kapitalismus und Sozialismus gruppieren, sind ausgeschaltet. Die Menschheit politisch und wirtschaftlich geeinigt! Wer vermag das heute schon auszudenken, in einer Zeit schärfster politischer und wirtschaftlicher Spannungen!

Aber auch geistig wird Einheit erreicht. Die Menschheit wird einig in der Anbetung des Tiers und des Teufels. In der Anbetung des Tiers: das wird ein Zweifaches umfassen: einmal die Huldigung der Menschheit vor sich selber, sodann die Huldigung vor dem Mann, in welchem die Menschheit ein leibhaftiges Abbild von sich selbst wahrnimmt. Die Bewunderung dieses Mannes muss grenzenlos sein. Die Gleichung: Antichrist = Menschheit, genauer = Verkörperung der Menschheit wird als vollständig empfunden werden. Der Zusammenhang des Textes Offb 13 macht es möglich, dass in der Geschichte dieses Mannes, vielleicht beim Beginn seines Aufstiegs, ein Absturz erfolgt, der einer tödlichen Wunde gleicht, der aber von einem umso glänzenderen Neuaufstieg abgelöst wird. Dann würde die Gleichung von Antichrist und Menschheit noch vollständiger: es würde sich am Antichristen als einer Einzelperson wiederholen, was die Menschheit auf ihrem bösen Gang im Großen erlebt: zuerst den tiefen Fall im ersten Babel, und dann doch die scheinbare glänzende Verwirklichung des ersten Menschheitstraums in der Endzeit. Aber die Anbetung des Tiers hat eine unheimliche Kehrseite: sie geht unmerklich über in die Anbetung des Teufels. Ihm huldigt der Antichrist, und mit ihm die von ihm bezauberte Menschheit. Was der Satan von Jesus vergeblich erwartete, die Anbetung, das wird nun wirklich.

Die Ehrung des Teufels

Göttliche Ehrung des Satans (Offb 13:4) - bis zu dieser Tiefe soll die Menschheit noch sinken. Es ist eine grausige Stufenfolge: Nichtachtung Gottes - Selbstverherrlichung - Teufelsanbetung. Wir erschrecken wenig darüber, dass das der Ausgang des Abfalls von Gott ist. Es sei aber darauf hingewiesen, dass dieses schreckliche Ergebnis eine lange Vorgeschichte hat. Paulus hat den Götzendienst der Völker sehr ernst beurteilt: hinter den Götzen, die freilich nichts sind, stehen die Teufel. Denen wendet sich der Gott entzogene Dienst zu (1Kor 10:20). Das Heidentum unserer Zeit kennt aber auch unmittelbaren Teufelsdienst; die Missionsleute wissen davon zu erzählen. Nicht vergessen sollen auch sein, die schlimmen Vorkommnisse innerhalb der Christenheit, die Luther unter dem Namen Zauberei beim 2. Gebot mit großem Ernst rügt, ob nun satanische Hilfe mit zaubernder Verwendung des Namens Gottes, oder unmittelbar begehrt wird. Dies furchtbare Gebiet der weißen und schwarzen Magie darf nicht mit dem Namen Aberglauben, als Irrtum, auf die Seite geschoben werden. Hinter ihm steht eine schreckliche Wirklichkeit. Unser Volksleben wird weithin durch diese Dinge zerfressen.

Nimmt man die Ausübung des Spiritismus, der Wahrsagerei, Zeichendeuterei und Astrologie dazu, so zeigt sich, dass die Teufelsanbetung der letzten Zeit längst vorbereitet ist. Die genannten schlimmen Erscheinungen des Volkslebens sind allerdings nicht nur Zeichen der gegenwärtigen Zeit, sondern sind aus alter Zeit ererbt; großenteils stellen sie das Erbe des früheren Heidentums dar, das durch jahrundertelange christliche Gewöhnung nicht ausgetilgt worden ist. Darum ist einstens das Volk Israel, vor seinem Einzug in Kanaan, vor diesen, mit dem Heidentum zusammenhängenden, schweren Versündigungen gewarnt worden (5Mo 18:9-14). Auch wo die genannten Versündigungen nicht geübt werden, sind doch schuldhafte Verstrickungen in satanische Beeinflussungen möglich, und müssen mit großem Ernst gemieden werden. Der Blick auf das schlimme Ende der Menschheit, mit der Anbetung des Teufels, macht jetzt schon die 7. Bitte des Vaterunsers dringlich, die Gottes Hilfe aus satanischen Banden zu erbitten anleitet.

Dem Antichrist zur Seite steht der falsche Prophet (Offb 13:11-17), der zugleich des Antichrists und des Satans Priester ist. Es handelt sich um eine wirkliche Persönlichkeit. Er bringt die völlige geistige Einheit zustande, nicht allein durch sein Wort, sondern auch durch lügenhafte Zeichen. Von dem letzteren ist in 2Thes 2:1-12 ebenfalls die Rede; diesen Abschnitt kann man das paulinische Gegenstück zu Offb 13 nennen. Was für die Gemeinde Jesu der Heilige Geist ist, das ist für die Menschheit jener Tage der falsche Prophet. Nicht mit Unrecht ist schon darauf hingewiesen worden, dass es nicht bloß eine göttliche Dreieinigkeit gebe: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die letztgenannte Dreiheit tritt in völliger Klarheit, freilich erst in der Endzeit in die Erscheinung; aber wirksam ist sie durch alle Zeiten. Denn der Satan ist zu allen Zeiten tätig, und Vorläufer des Antichrists gab es auch immer, sogar in großer Zahl (1Jo 2:18), ebenso falsche Propheten, die das Wirken solcher Männer religiös verklärten. Wir haben ja beim Gang durch die Menschheitsgeschichte darauf geachtet, dass die großen politischen und wirtschaftlichen Bestrebungen sich in der Regel ein falschgeistliches Gewand gegeben haben.

Das Bild jener Tage wäre noch zu vervollständigen durch den Blick auf des Reiches Hauptstadt, Babel. In welchem Maß sie das Einheitsband des letzten großen widergöttlichen Menschheitsreiches ist, das ist in Offb 17 und 18 beschrieben. Babel sitzt auf dem Tier, d. h. es beherrscht die Menschheit vollständig. Zugleich ist es das getreue Abbild der widergöttlich, und widerchristlich gewordenen Menschheit. Es ist eine geheimnisvolle Beziehung zwischen den drei Größen: wiedergöttliche Menschheit, Antichrist und Babel. Die beiden letzteren sind die Verkörperung des ersteren. An beiden wird sichtbar, wohin die Menschheit gekommen ist. Im engsten Bunde sollte die Menschheit stehen mit Gott und dem Christus, in einem Bunde, der an der Ehe sein Abbild hat; aber sie ist zur Hure entartet. Wer ist diese Menschheit? Großteils die frühere Christenheit und das frühere Gottesvolk. Sie sind zur Hure geworden. Das ist die tiefernste Wahrheit der reichsgeschichtlichen Auffassung von Babel, wie sie von Auberlen vertreten wird, der in Babel die entartete Christenheit sieht, während das neue Jerusalem als Gegenstück zu Babel die vollendete Gottesgemeinde darstelle. Auberlen hat nur insofern recht, als er die Stadt nur als Benennung für ihre Bewohnerschaft deutet. Eine Stadt aber ist ein Gebilde auch ohne ihre Bevölkerung. So ist das Babel der Endzeit eine wirkliche Stadt; als solche wird Offb 17:18 in der Auslegung des, dem Johannes gewordenen, Gesichts ausdrücklich bezeichnet; aber sie ist zugleich der Sammelort der überaus sündig gewordenen Menschheit, zu der auch die leer gewordene Christenheit gehören wird. So enthält auch das neue Jerusalem die neue Gemeinde; aber es ist mit derselben nicht völlig gleichzusetzen, sondern ist selber eine Schöpfung Gottes von wunderbarer Art, die verklärte Wohnstätte der verklärten Gemeinde.

Der Kampf mit dem rechten Israel

Bei dem Versuch, die Menschheit geistig völlig einheitlich zu machen, stößt der Antichrist auf zwei Lebenskreise, die sich diesem Streben nicht fügen können: das ist die neu entstehende Gottesgemeinde aus Israel, und die Gemeinde Jesu aus der Völkerwelt. Die sucht er deshalb aus der Menschheit auszuscheiden auf dem Wege der Gewalt. Diesem Kampf wenden wir uns nun zu. Der gegen das gläubig werdende Israel ist in Offb 11 und 12 beschrieben, der gegen die Gemeinde Jesu in Offb 13.

Der Versuch Offb 11 kirchengeschichtlich zu verstehen, als sei es bereits erfüllt, ist mit einer Menge Schwierigkeiten belastet, die sich lösen, wenn man die dortigen Aussagen buchstäblich nimmt, und darin die großen Geschehnisse in Israel in der Endzeit sieht. Zur Zeit des Antichrists gibt's in Jerusalem eine Judenschaft und einen Tempel. Davon war bereits eingehend die Rede an verschiedenen Stellen. Das Wunderbare ist, dass der jüdischen Gemeinde in Jerusalem zwei gewaltige Propheten geschenkt werden, ähnlich wie einst Elia und Elisa, aber im Zusammenwirken miteinander. Es wird in diesen zwei Kapiteln geschildert sein, wie Israel, genauer: ein volksmäßiger Rest desselben, zu seiner großen Reue kommt, und zum Anschluss an seinen König Jesus. Das ist die große Wende in der Geschichte dieses Volkes. Dass diese Wende zustande komme, dazu ist Israel unter den schwierigsten Verhältnissen ausgespart worden durch die Jahrhunderte hindurch. Es ist ein wichtiges Stück der weissagenden Wort Jesu, das er feierlich mit einem "wahrlich" eingeleitet hat: "Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles Wirklichkeit wird" (Mt 24:34). "Geschlecht" ist an dieser Stelle nicht verstanden im Sinn von "Generation" oder Menschenalter, sondern im Sinn von "Volk". Der Fortbestand des jüdischen Volks bis zur Gegenwart, ja bis zum Ende, steht in besonderem Maße unter Gottes Regierung. So ist die Geschichte dieses Volks zu einem großen Beweis für die Wahrheit der Bibel geworden.

Angesichts des schlimmen Irrwegs Israels, das zum Judentum sich gewandelt hat, muss es allerdings noch zu großen Scheidungen innerhalb dieses Volkes kommen, bis die in Offb 11 und 12 beschriebenen Wandlungen Wirklichkeit werden. Denn nicht das Äußere macht den Juden (Röm 2:28); nicht die Rasse, nicht das Geld, nicht der Stolz, nicht die eigene Gerechtigkeit. Wenn das den Wert Israels ausmachen sollte, dann würde es dadurch sogar untauglich zum Wiederempfang der Gnade und der Berufung zum Dienst. Denn das letztere ist das Entscheidende: nicht das Laufen und Rennen dieses Volkes, sondern seine Wiederannahme durch Gott. Die äußeren Vorbedingungen für die Wiederindienststellung sind gegeben. Aber die inneren fehlen noch: das Auge des Volks muss sich erst wieder seinem König zuwenden, vielleicht zuerst noch ohne Glauben, aber mit Sehnsucht. Die entscheidende innere Vorbedingung ist die Buße, die bei Israel nicht bloß eine persönliche Buße sein darf, sondern eine Buße für das ganze Geschlecht, und zwar nicht bloß für die Gegenwart, sondern eine, die ganze Geschichte Israels umfassende. Eine solche Buße wird allen Stolz zerbrechen. Die große Reue angesichts der Erkenntnis des Gekreuzigten ist im prophetischen Wort schon im voraus beschrieben in Sach 12:10-14. -

Es wäre übrigens gut, wenn auch die christliche Buße, nicht bloß eine einmalige, sondern die tägliche, sich nicht nur mit der persönlichen Sünde beschäftigte, sondern sich erweitern würde zu einer Buße, die sich unter die Sünden der Christenheit mit hinunterbeugt. Daniels Beispiel (Dan 9) ist höchster Beachtung wert.

Zu solcher Buße ist der Geist von oben nötig. Wie Gottes Regierung es einrichtet, dass ein Geist diese Buße wirken kann, das sehen wir jetzt noch nicht. Vielleicht geht es ähnlich, wie zur Zeit der Heimkehr aus Babel. Der Jubel der Heimkehr war groß. Aber die Zeiten waren kümmerlich. Sie bauten den Tempel wieder auf mit Freuden und Weinen zugleich. Es lag auf den Zurückgekehrten, außer dem Druck der geringen Dinge der Druck der Nachbarschaft, der Druck der großen Politik. Menschlich betrachtet hatte es derjenige Teil der Judenschaft viel besser, der auf eine Rückkehr verzichtet hatte, weil ihm der eigentliche Beruf Israels nicht mehr wichtig war.

Es kann wohl sein, dass Gottes Wege, durch die er einen heiligen Rest zum heiligen Samen macht, wieder ähnliche sind. Es wird das geistige Israel sich absondern müssen von dem Israel nach dem Fleisch. Dass das nur unter vielen Schmerzen für das erstere geschehen kann, ist früher schon gesagt worden. Offb 7:1-8 redet von solchen Israeliten, denen der Ehrenname "Knechte Gottes“ zukommt, und denen Gottes Siegel angelegt wird. Diese Versiegelten sind nicht einzelne, die aus der Menge des Volks herausgehoben würden, sondern eine gleichmäßige Vertretung des ganzen Volkes. Aber begrenzt ist ihre Zahl doch; auf jeden Stamm kommen 12 000. Die Weissagung Jesajas vom heiligen Rest (Jes 6) erfüllt sich noch einmal. Auch Offb 11 ist auf eine solche Scheidung innerhalb des Volks hingedeutet, indem von der Trennung des inneren und äußeren Tempelvorhofs gesprochen wird.

Letztlich ist diese Scheidung gleicher Art wie die, welche innerhalb der Christenheit sich vollziehen muss zwischen denen, die ihr nur äußerlich angehören, und der Gemeinde Jesu. Menschen können solche Scheidung nicht selbst herbeiführen. Sie würden gewaltig fehlgreifen. Sie bleibt der Endzeit vorbehalten. Und da kommst sie durch Gottes Regierung zustande ohne menschliches Zutun.

Die oben angeführte Schriftstelle Dan 7:1-8 weckt eine Frage, die heute noch nicht gelöst werden kann. Dort sind Angehörige aller 12 Stämme als Glieder der neuen Gottesgemeinde genannt. Also auch, die seit der assyrischen Gefangenschaft verschollenen Stämme Israels, sollen ein Schar zum neuen Israel stellen. Bereits Hesekiel hat (Hes 37:15-28) von einer Wiedervereinigung des Volks gesprochen. Wie das Verwirklichen der genannten Weissagung zustande kommt, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Die vom assyrischen König Weggeführten wurden einst nicht weit vom heutigen Armenien angesiedelt. Das ist eine Gegend, in der schon große Völkermischungen stattgefunden haben. Eine Vermutung möge hier ausgesprochen sein, deren Richtigkeit oder Wahrscheinlichkeit der Verfasser aber nicht beweisen kann: sollten die nach Assyrien Weggeführten wenigstens in einem Rest unter den Armeniern enthalten sein? Zwar gelten die Armenier als indogermanisches Volk, also den Japhetiten zugehörig. Aber ob sie ganz einheitlich und unvermischt sind? Die namenlosen Leiden dieses Volks wecken die Frage: hat Gott mit diesem Volk etwas Besonderes vor? Sollten im Zusammenhang damit irgendwie die verschollenen Stämme wieder zum Vorschein kommen?

Freilich sind die Armenier ein christliches Volk, das erste das seiner Zeit volksmäßig das Christentum angenommen hat. Sollte der oben genannte Gedanke recht haben, dann wäre es möglich, dass ein Teil des Volkes Israel schon längst nähere Beziehung zu Jesus hätte, und zwar bisher in heidenchristlicher Form. Es könnte dann die Zeit kommen, da dieser Teil sich zu seinen Brüdern nach dem Fleisch zurückfände, und ihnen vielleicht den Zugang zu ihrem König bahnen hülfe. - Doch sind das alles Vermutungen. Jedenfalls weiß Gott, wo die Nachkommen der Verschollenen sich befinden. Er kann es zu seiner Zeit so machen, wie es in Hes 37:21 steht: "Ich will die Kinder Israel aus den Heidenvölkern, unter die sie gegangen sind, herausholen."

Ob die im Tempelhof Anbetenden als bereits eine christgläubige Gemeinde zu denken sind, ist fraglich; aber sie sind in der Bewegung auf ihren König zu. Vielleicht gibt es auch schon in der Gegenwart nicht wenige Glieder des jüdischen Volks, welche von der Ahnung bewegt werden: der Gekreuzigte ist doch unser König! Sie wagen nicht herauszutreten und behalten ihren keimenden Glauben für sich in der Stille; nicht bloß deswegen, weil sie bei öffentlichem Bekenntnis desselben leiden müssten, sondern weil ihnen der Übergang zur Kirche schwer fiele. Denn die Kirche ist die aus der Völkerwelt gesammelte Gemeinde. Und es muss einmal eine Gemeinde aus Israel geben, die sich innerhalb ihres israelitischen Volkstums des Glaubens an den Messias freut, und eben um dieses Glaubens willen die Zugehörigkeit zu dem alten Gottesvolk schätzt. Die Offb 11 beschriebene Gemeinde ist im Begriff, ein solches christgläubiges Israel zu werden und die beiden Zeugen helfen mächtig dabei. Aber bereits diese Hinbewegung zu Christus erregt den Zorn des Antichrists und veranlasst ihn zum Kampf. Jerusalem ist schnell in seiner Hand; aber an die Gemeinde im inneren Tempelhof darf er seine Hand nicht legen. Sie wird gestärkt und weitergeführt durch die zwei Zeugen, und wunderbar erhalten, wie Gott einst auch den Elia zu erhalten wusste an seinem Bergungsort. Die Taten, welche die beiden Propheten in Gottes Namen wirken (Offb 11:10), legen sich um die Gemeinde wie ein Wall.

Für das Nächstfolgende halten wir uns an die Auslegung von Weber in seiner früher erwähnten Schrift. Die Not der bedrängten Gemeinde steigt. Sie gleicht einem in den Wehen befindlichen Weibe (Offb 12:2). Da wird sie die Mutter des "männlichen Sohnes" (Offb 12:5); d. h. eine Schar aus ihr kommt zum herzhaften, mutigen, männlichen Glauben, und wird durch Christi Blut zum Überwinder (Offb 12:5). Nun ist der Bann gebrochen, der auf Israel seitdem lag; der Satan kann nicht mehr als Verkläger auftreten. Seit langem hat er im Himmel nur als Verkläger Zutrittsrecht gehabt. Dieses Recht hat nun aufgehört; er wird ganz aus dem Himmel verwiesen (Offb 12:7-12). Durch all diese Vorgänge ist die Gemeinde vollends zur klaren Entscheidung für Christus durchgedrungen. Nun darf ihr der Satan nichts mehr anhaben, und deshalb auch der Antichrist nicht. Sie wird an einem sicheren Ort aufgespart über die nächst kommende Zeit hinüber (Offb 12:13-17), um Organ Christi in seinem Reich zu werden. Der Antichrist setzt sich in den Tempel Gottes und gibt sich selbst für Gott aus (2Thes 2:4), und um so heftiger entbrennt nun sein Kampf gegen die Gemeinde Jesu aus der Völkerwelt.

Nach der nun folgenden Zeit des antichristlichen Reichs sah Johannes die christgläubige Gemeinde Israels wieder auf dem Berg Zion, in der schon in Offb 7:1-8 genannten Zahl in Gegenwart ihres Königs (Offb 14:1-5). Man könnte versucht sein, unter dem Zion das obere Jerusalem zu verstehen, und die dort genannte Gemeinde am Thron Gottes zu suchen. Aber die gläubig gewordene Gemeinde Israels wird ja für das Reich Gottes auf Erden aufgehoben, für das 1000jährige Reich; darum wird unter dem Zion Offb 7:1 das irdische Jerusalem zu verstehen sein. Die Worte "vor dem Thron Gottes", mit denen der genannte Abschnitt in der Lutherbibel schließt, sind im griechischen Text nicht enthalten. Diese Gemeinde Jesu aus Israel darf die Gegenwart ihres Herrn schon vor seinem Wiederkommen in besonderem Maße genießen. Das wird der Grund sein, weshalb der Antichrist den Zugang zum Berg Zion und den Aufenthalt dort nicht wehren kann.

Inzwischen brechen die Schlussgerichte über das antichristliche Reich herein, dargestellt in den Zornschalengesichten (Offb 15:16). Die ersten 4 treffen das Naturgebiet und das leibliche Leben mit großer Schärfe. Bei der 5. Schale beginnt der Thron des Antichrists zu wanken. Er aber will trotzdem zum Vernichtungsschlag gegen die Gemeinde auf dem Zion ausholen und es gelingt ihm, die Streitmacht der ganzen Welt dafür zu gewinnen (Offb 16:12-16). Aber die Stadt, die fällt, ist nicht Jerusalem, sondern Babel. Vielleicht unter den furchtbaren Naturereignissen der 7. Zornschale (Offb 16:17-21) wendet sich der Grimm der Mächte und des Antichrists zuerst gegen Babel, das ihrem ohnmächtigen, selbstmörderischen Grimm zum Opfer fällt (Offb 17:18; besonders Offb 17:16-18). Sie müssen das Urteil Gottes selber vollstrecken, so sehr es ihnen hinterher leid ist. Dann geht der Kriegszug auf Jerusalem zu. Aber ehe sie dorthin kommen, und der Gemeinde Gottes nahetreten können, ereilt sie ihr Schicksal. Nun kommt Christus mit dem ganzen himmlischen Heer. Er tritt aus seiner bisherigen Verborgenheit und Zurückhaltung heraus. Denn nun ist der Gipfel der Sünde erreicht. Bei Megiddo (Harmagedon), einem vom alter Zeit her blutgetränkten Schlachtenboden, kommt es zum Zusammenstoß, der für die antichristliche Macht vernichtend ausfällt (Offb 16:14-16; Offb 19:11-21). Nun wird die satanische Leitung der Menschheit ausgeschaltet.

Das widergöttliche Menschheitsreich ist gerichtet. Und das Reich wird dem heiligen Volk des Höchsten gegeben (Dan 7:27). Das durch tiefe Buße und schwere Drängnis hindurchgegangene, und unter das Regiment des Menschensohns (Dan 7:13) getretene Israel, tritt nun seine Herrscherstellung an; aber nicht zur Bedrückung der Völker, sondern im Dienst Christi, zum Dienst an der Völkerwelt. Das Israel nach dem Geist hat das Israel nach dem Fleisch in der Weltherrschaft abgelöst. Eine selige Veränderung! Auf das Reich des Satans folgt das Reich Gottes.

Der Kampf mit der Gemeinde Jesu aus der Völkerwelt

Im Vorstehenden wurde versucht, anhand der Offenbarung das Werden des christgläubigen Israel und sein Ergehen in der Endzeit darzustellen. Der Antichrist nimmt aber auch den Kampf auf, gegen die aus der Völkerwelt gesammelte Gemeinde Jesu. Eine solche war immer vorhanden seit der Apostel Zeiten. Sie ist der Kern und der eigentliche Halt der Kirchen. Die Gemeinde Jesu freut sich, dass die Kirchen bei aller Schwäche und Abweichung doch diesen Namen tragen dürfen. Sie trägt mit ihnen, und wo es sein muss, auch an ihnen. Sie tut auch in ihnen und für sie Buße, weil sie sich für das Ganze mitverantwortlich weiß, und sich an den Schäden mitschuldig erkennt. Sie hofft auch für die Kirchen, bei aller Erkenntnis ihrer Schäden, und darf da und dort innerhalb des allgemeinen Abwärtsgleitens eine Aufwärtsbewegung wahrnehmen. Aber den Gang im Großen kann sie nicht aufhalten und ist auch nicht dazu berufen. Denn auch die teuflische Saat muss innerhalb der Menschheit, selbst innerhalb der Christenheit, zur Reife kommen. Und das Schlussbild der biblischen Weissagung ist trüb: in der antichristlichen Zeit wird der Kampf gegen die Gemeinde Jesu eröffnet, und zwar mit teuflischer List. Der Antichrist zwingt zur Entscheidung, wer es mit ihm und seinem System halte oder nicht. Die Entscheidung ist scheinbar frei und doch erzwungen. Sie wird äußerlich sichtbar gemacht. Was mag das für eine seelische Pein geben! Die Gemeinde Jesu bekennt Farbe. Das Zeichen des Antichrists kann sie nicht annehmen. So geschieht das große Wunder, dass auf einmal die Gemeinde Jesu offenbar wird.

Wie manche dann das schlimme Abzeichen tragen die doch zur Gemeinde Christi gehören möchten! Und wie viele werden sich mutig als deren Glieder erweisen, denen man es vorher nicht angesehen hätte! Die Geduld des Herrn, der die Entscheidung nicht zu bald kommen lässt, und der, wenn sie kommen soll, auf sie vorbereitet, damit die Versuchung tragbar sei, ist dankbar zu werten als große Hilfe. Nach dem Offenbarwerden der Gemeinde Jesu folgt deren wirtschaftliche Verrufserklärung, ihre wirtschaftliche Boykottierung, welche die Wurzeln ihrer Existenz abschneiden soll (Offb 14:13). Und dann fließt auch das Blut der Glaubenszeugen. Aber diese Blutzeugen werden im Voraus selig gepriesen. Denn die Glücklichen sind nicht die, welche ihr Leben durch Annahme jenes Zeichens retten, sondern diejenigen, die um Jesu willen zu sterben vermögen. Das Reich Gottes entgeht ihnen durch ihr Sterben nicht. Sie nehmen teil an der ersten Auferstehung (Offb 20:4).

Das im 5. Siegelgesicht angedeutete Sterben wird auf diese Weise voll wirklich. Im besonderen Maß wird Großbabel zu einem Sterbensort für die Gemeinde Jesu (Offb 18:21). Ob aber die ganze Gemeinde sterben muss, ist doch fraglich. In Offb 18:4 wird das Volk Gottes aufgefordert, aus Babel hinauszugehen. Nun erhält die Gemeinde das Recht, zur Lösung der Bande, die sie bisher noch mit der Menschheit zusammengehalten haben. Zugleich ist aber mit dieser Aufforderung die Möglichkeit zum Gerettetwerden gegeben. Auch Offb 20:4 kann in dieser Richtung verstanden werden. Aus dem Urtext geht nicht hervor, was man aus mancher Übersetzung meint entnehmen zu müssen, dass dort nur die Blutzeugen gemeint seien, von denen zwei Sachen ausgesagt würden, dass sie wegen der Bezeugung Jesu hingerichtet worden seien, und ferner, dass sie das Tier nicht angebetet hätten.

Sprachlich ist eine Zweiteilung, der zur Herrschaft mit Christus Berufenen ebenso möglich, so dass der Sinn der wäre: in den neuen Lebensstand treten die Blutzeugen und ferner diejenigen, welche das Tier nicht angebetet haben. Sachlich wird diese Übersetzung eher den Vorzug verdienen. Denn Paulus hat damit gerechnet, das beim Wiederkommen Jesu eine lebende Gemeinde auf Erden vorhanden sei (1Thes 4:15; 1Kor 15:51), obwohl er den ganzen Ernst der antichristlichen Zeit gekannt hat, was auch aus 2Thes 2:1-12 hervorgeht. Aber eben aus den genannten Stellen geht hervor, dass noch eine wichtige Ergänzung zu machen ist. Während die am Leben bleibende Gemeinde aus Israel im 1000jährigen Reichsorgan sein wird in leibhaftiger Gestalt, wird die Gemeinde Jesu aus der Völkerwelt in verklärter Gestalt an diesem Reich teilnehmen, die einen, als aus dem Tod Auferweckte, die andern als Verwandelte. Auch an denen, die am Leben bleiben, ging das Sterben nur knapp vorbei, und sie sind in dieser Sterbenszeit ausgereift, als gehörten sie dieser irdischen Welt nicht mehr an. Was innerlich von jedem Glaubenden gilt, dass er nämlich ein Gestorbener ist, das wird in jener Erntezeit in noch umfassenderem Maße Wirklichkeit: die, welche der Verklärung teilhaftig werden, waren und fühlten sich als Gestorbene, auch wenn das Schwert sie nicht traf. An ihnen wird wirklich, was Paulus von sich schrieb 2Kor 4:7-18.

Der Übergang zum Reich Gottes auf Erden

Als Johannes den letzten Posaunenstoß hörte, vernahm er den Lobgesang im Himmel: "Nun ist die Herrschaft über die Welt auf unseren Herrn und seinen Christus übergegangen" (Offb 11:15). Bis auf diesen Übergang ist oben die Darstellung der Menschheitsgeschichte gelangt. Die letztere ist damit keineswegs abgeschlossen. Was mit dem Sturz des antichristlichen Reichs zu Ende geht, ist nur die erste schlimme Zeit der Menschheit unter der Leitung des Satans. Ganz beendigt ist diese schlimme Zeit übrigens auch mit dem Anbruch des Reiches Gottes auf Erden noch nicht. Denn wirklich für Gott gewonnen wird die Menschheit selbst im 1000jährigen Reich nicht; sie besteht als Ganzes die große Probe am Ende desselben nicht. Denn dann gelingt dem Satan, dessen Bande auf kurze Zeit gelöst werden, von neuem die Verführung des Großteils der Völkerwelt. Damit ist die Zeit für den Abbruch der alten Welt, und das letzte große Gericht gekommen. Der erste Gerichtete ist der Satan. Aus dem Feuer des Gerichts wird sich durch Gottes Schöpferwort die neue Welt erheben, und in dieser erhält das Reich Gottes seine endgültige Gestalt.

Es seien einstweilen nur einige Worte zum Reich Gottes auf Erden gesagt. Seine Dauer wird in Offb 20 mehrmals auf 1000 Jahre angegeben. Daher rührt die übliche Benennung dieses Reiches als 1000jähriges Reich. Nun ist zwar die Dauer dieses Reichs nicht das Wesentliche desselben. Vielleicht würde mancher Widerspruch gegen Offb 20 ruhiger werden, wenn bei der Aussprache über dieses Reich, auf die Zeitangabe kein so großer Nachdruck gelegt würde. Tatsächlich ist die Benennung "Reich Gottes auf Erden" zweckentsprechender. Aber nebensächlich ist die genannte Zeitangabe keineswegs. Sie ist zwar auch schon sinnbildlich gefasst worden in dem Sinn, dass damit die Dauer dieses Reichs, als eine nach Gottes Rat klar geordnete bezeichnet sei. Aber es lässt sich kein Grund nennen, weshalb die Zahl nicht sollte buchstäblich genommen werden dürfen. Zieht man Schriftstellen bei, wie die 2Petr 3:8 ("vor dem Herrn sind 1000 Jahre wie ein Tag") und Hebr 4:9 ("dem Volke Gottes ist noch eine Sabbatruhe vorbehalten"); und nimmt man dazu Gedanken aus der ältesten Christenheit, welche den irdischen Zeitlauf der Menschheit nach Tagen der Woche gliederten, dann bekommt die Zeitangabe in Offb 20 ein besonderes Aussehen: das Reich Gottes auf Erden ist dann der Sabbat der Menschheit noch sechs Werktagen im Frondienst der Sünde und des Satans. Auf diesen Sabbat folgt das Reich Gottes in seiner endgültigen Gestalt als der Sonntag, der nimmer endet.

Rückblicke

Aber damit ist eine Gedankenreihe begonnen, die noch einer weiteren Ausführung bedarf. Unser Herr ist also 5 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung geboren. Hätte der in diesem Buch durchgeführte Gedankengang betreffend die Zahl 666 recht, und zwar nicht bloß für das 6. sondern auch für das 7. Reich, dann würde der bisherige Menschheitsgang mit dem Jahr 1995 abschließen. Denn 1970 ginge das 6. Reich zu Ende; 1988 nach 3 Abschnitten von je 6 Jahren das 7. Reich. Hinzu kämen noch 7 Jahre der antichristlichen Zeit, die in zwei Abschnitten von je 3 1/2 Jahren verlaufen soll. Dann würde das Reich Gottes auf Erden genau zwei Jahrtausende nach Christi Eintritt in die Menschheit beginnen. Das Reich Gottes in seiner Niedrigkeitsgestalt hätte dann, die genau bestimmte Zeitdauer von 2000 Jahren, und dieser Dauer würde sich die irdische Hoheitsgestalt mit 1000 Jahren anschließen. Diese 3000 Jahre wären für die Menschheit eine hohe Zeit, gewissermaßen ihre Hochzeit mit Jesus. Drei ist die Zahl Gottes. Die Zeit, da Gottes Reich mit der Menschheit Fühlung nahm, und schließlich sogar unter ihr Wohnung nehmen wird, ist die Zeit der Heimsuchung der Menschheit durch Gott. Da hat er in der Nacht der Sünde und des Todes und der satanischen Gewalt sein Licht aufgehen lassen.

Merkwürdig wäre dabei die Gleichheit der Dauer Roms und des Reiches Gottes in seiner Niedrigkeitsigestalt, die beidemal 2000 Jahre betrüge. Dadurch ergäbe sich noch ein weiterer Gleichklang. Die Zeit von 30 - 5 v. Chr. würde der Zeit von 1970 bis 1995 entsprechen: 25 Jahre nach dem Eintritt Roms in seine Weltmachtstellung begann das Gottesreich in seiner armen Weise; und 25 Jahre nach Schluss des 6. Reiches würde die widergöttliche Menschheit reif zum Fall. Wie das Reich Gottes kam, bald nachdem Rom sich in den Sattel gesetzt hatte, so wird es auch nicht mehr lange auf sich warten lassen, wenn es in die Endzeit hineingeht.

Rückblicke auf die letzten Jahrhunderte

Hätte der Gedanke recht, dass um 1995 die große Wende der Menschheitsigeschichte stattfinden werde, dann ergäbe sich aus der Rückschau ein eigenartiger Blick auf die neuere Geschichte. Ganz allgemein wird das Jahr 1789 als der wichtigste Einschnitt in der Geschichte der Neuzeit angesehen. In diesem Jahr kam die französische Revolution zum Ausbruch. Die letztere hat nicht bloß die französische Geschichte, sondern die ganze europäische Geschichte bestimmt. In ihr liegen die Wurzeln der ganzen seitherigen Geschichte. Unter der oben genannten Voraussetzung ist das Jahr 1989 das erste Jahr des antichristlichen Reichs. Dann liegen zwischen dem Ausbruch der französischen Revolution und dem Beginn des antichristlichen Zeit genau 200 Jahre. Wahrscheinlich ersteht diese Zeit aus furchtbaren Erschütterungen heraus, weil ihr Beginn in das zweite Wehe fällt. In der französischen Revolution wurden erstmals die gleichen unheimlichen Finsternismächte entbunden, wie sie beim ersten und zweiten Wehe beschrieben sind. Vielleicht bekommen diese Mächte 200 Jahre Zeit zum Wirken. Es ist zwar kein Wirken in ununterbrochenem, gleichmäßigem Fortschreiten, sondern immer wieder unterbrochen durch andersartige Finsternismächte, und durch aufhaltende Kräfte, auf die 2Thes 2 hingewiesen ist. Aber wirksam sind die Revolutionsmächte seither fortwährend, und ihr Wirken ist noch nicht zum Ende gekommen. Voraussichtlich wird es sich vollenden, wenn die Weissagung von der 6. Posaune oder dem 2. Wehe in Erfüllung geht.

Daran schließt sich sofort ein weiterer Gedanke. Manche unserer Vorfahren sahen im ersten Napoleon, als er aufkam, den Antichristen. Sie haben sich getäuscht; Napoleon war es nicht. Aber ganz daneben gegriffen haben sie mit ihrer Vermutung nicht. Napoleon ist ein Vorläufer des Antichrists. Der letztere wird seiner Art nach dem ersteren gleichen. Aber in noch einem Stück wird er ein Gegenstück dieses Mannes sein: Napoleon war der Erbe der französischen Revolution. In ihm kam sie zur Ruhe und gleichzeitig wirkte sich die Revolution auf dem Weg über ihn aus zu weltgeschichtlicher Größe. Zugleich wird an Napoleon deutlich, wie leicht es einem geborenen Herrscher möglich ist, auch die aufgeregtesten Bewegungen für sich dienstbar zu machen, so dass Revolution in Imperialismus übergehen kann. Merkwürdig ist übrigens das letztere nicht. Denn beides ist Gewaltherrschaft, nur das eine eine regel- und ziellose, das andere eine bewusste, in einem Einzelwillen zusammengefasste. So wird es auch beim Antichristen sein. Er wächst aus den furchtbarsten Erschütterungen heraus und wird ihr Erbe, der sie mit gewaltigem Willen meistert und für seine Zwecke verwendet. Denn die Hölle, die vorher die Auflösung begünstigt hatte, übergibt nun ihm das Regiment, damit er die empörten Menschengeister zur großen Empörung gegen Gott und seinen Christus zusammenfasse.

Aus der Rückschau von der Wende zum antichristlichen Reich, wenn die Ansetzung derselben auf das Jahr 1988/89 recht hat, ergäben sich noch einige andere geschichtliche Beziehungen merkwürdiger Art. Es war davon die Rede, dass der Gang der deutschen Geschichte, wegen deren Verknüpfung mit dem Evangelium in enger Beziehung stehe zur europäischen, ja zur Weltgeschichte. Die Begründung des Deutschen Reichs im Jahr 1870/71 wirkte aufhaltend auf die verkehrte Entwicklung Europas. Wo ist nun der Wendepunkt in der Geschichte des Deutschen Reichs seit 1870 zu suchen? Das Nachdenken hierüber ist erleichtert, seit das Kaiserreich gefallen ist. Die Wende war das Jahr 1888 und die erste Zeit danach. 1888 starb der erste Kaiser Deutschlands. Wenn man bedenkt, von welcher Bedeutung einst die frommen Könige Israels für das Ergehen des ganzen Volkes waren, so wird der Schluss nicht unberechtigt sein, dass das Reich von Gott gesegnet wurde auch um seines frommen Begründers willen. 1870 - 1888: 18 Jahre! Die Jahreszahlen erinnern an gleichlaufende Jahre: 1870 - 1888; immer unter der Voraussetzung, dass die Vermutungen über die Zahl 666 sich als richtig erweisen. Das Sterben der beiden deutschen Kaiser in einem Jahr bedeutete einen Wendepunkt, der bald danach in Erscheinung trat. Nun begann der zweite Teil der Geschichte des Deutschen Kaiserreichs, der zwar äußerlich vieles Glänzende aufweist, aber nicht mehr den Gehalt des ersten Teiles hatte. Gleichzeitig damit begann sich der Ring um Deutschland zu bilden, bis es schließlich vereinsamt dastand. Seit 1888/89 ging’s, ohne dass man es ahnen konnte, auf den großen Krieg zu, durch den Deutschland aus dem Weltgeschehen ausgeschaltet wurde. Und mit Deutschland wurde eine der aufhaltenden Mächte ausgeschaltet. So fällt die Wende der deutschen Geschichte 100 Jahre vor Beginn der antichristlichen Zeit.

Und der Weltkrieg? Er kam 25 Jahre nach jener Wende. Wenn der Beginn der antichristlichen Zeit wirklich auf 1989 zu setzen wäre, wäre es dann Zufall, dass der Weltkrieg gerade 75 Jahre vorher ausbrach? - Das Vorstehende sind Gedanken, die keine Sicherheit beanspruchen, die aber zum Nachdenken anregen können.

Rückblicke auf den Menschheitsgang

Der Blick auf die Zeit seit Christi Geburt, bedarf einer Ergänzung durch den Blick auf die jenseitige Zeit, die seit dem Beginn der Menschheit bis zum Eintritt in dieselbe verstrichen ist. Die biblischen Zahlen hierfür ergeben annähernd 4000 Jahre. Diese Zeitangabe widerspricht freilich den Gedankengängen der profanen Geschichtsschreibung vollständig. Die letztere wagt nicht bloß keine Zahlenangabe über den Anfang der menschlichen Geschichte, sondern hält es überhaupt für unmöglich, bis zum Beginn derselben vorzudringen. Sie wertet auch die in der Bibel bezeugte Sündflut nicht als fassbares Ereignis der menschlichen Geschichte. Die biblischen Zahlenangaben für die Zeit von der Sündflut bis zur Geburt Christi umfassen nur eine Spanne von 2 1/2 Jahrtausenden. In einer derartig kurzen Zeit glaubt die Geschichtswissenschaft, die frühere Geschichte der Menschheit nicht unterbringen zu können. Ob sie übrigens mit ihren eigenen Aufstellungen recht hat, die z. T. auf Zahlenangaben der alten Völker beruhen, z. T. auf Mutmaßungen oder auf verwickelten Schlüssen, das ist eine große Frage. Die anders lautenden biblischen Angaben könnten ebenso große, ja größere Glaubwürdigkeit beanspruchen wie Nachrichten aus anderer Quelle.

Im folgenden seien einige Anhaltspunkte für die biblische Zeitrechnung vor Christi Geburt gegeben. Die Süntflut lässt sich auf das Jahr 1656 nach Adams Erschaffung berechnen (1Mo 5:7.11) Die Zeitangaben in 1Mo 11:10-32 führen für die Geburt Abrahams das Jahr 2008 nach dem gleichen Anfangstermin. Dann fällt die Auswanderung Abrahams nach Kanaan in das Jahr 2083 (1Mo 12:4). Nun erhebt sich eine Schwierigkeit: 2Mo 12:40 werden für die Dauer des Aufenthalts Israels in Ägypten 430 Jahre angegeben; Gal 3:17 dagegen rechnet Paulus diese Zeit vom Bund Gottes mit Abraham an, schließt also die Zeit der Erzväter bis zur Übersiedlung nach Ägypten in die 430 Jahre mit ein. Die Jahre von der Einwanderung Abrahams nach Kanaan bis zum Zug nach Ägypten, lassen sich nach den Zeitangaben im 1.Buch Mose auf 215 Jahre berechnen. Danach fällt das Jahr des Auszugs aus Ägypten in das Jahr 2513 oder 2728 seit Adam. 480 Jahre nachher begann Salomo seinen Tempelbau (1Kö 6:1) und vollendete ihn nach 7 Jahren. (1Kö 6:38) in seinem 11. Regierungsjahr. Daraus ergeben sich die Jahre 2993 oder 3208 oder 3215. Nach Vollendung des Tempelbaus regierte Salomo noch 29-30 Jahre. Die Summe der Regierungsjahre der Könige Judas bis zur Schlacht bei Karchemisch (Jer 46:2), die auf 606 oder 605 v. Chr. anzusetzen ist, ergibt 375 Jahre, die im Dächselschen Bibelwerk unter teilweisem Vergleich mit den Zahlen der Könige des Reiches Israel, auf 369 Jahre verringert werden.

Unter der Voraussetzung, dass die 2Mo 12:40 genannten 430 Jahre auch die Zeit der Erzväter mit umfassen, ergeben sich, in unserer Zeitrechnung ausgedrückt, folgende Zahlen. Adams Erschaffung 4005; Sündflut 2349; Abrahams Geburt 1997; Abrahams Einwanderung in Kanaan 1922; Übersiedlung Jakobs nach Ägypten 1707; Auszug aus Ägypten 1492; Fertigstellung des Tempels 1005; Teilung des Reichs 975; Unterstellung Judas unter die neuaufsteigende Weltmacht 606 oder 605 v. Chr. Das würde, da die Geburt Jesu etwa 5 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung stattfand, bedeuten, dass von der Erschaffung des ersten Menschen bis zur Geburt Jesu, als des rechten Menschensohnes, 4000 Jahre verstrichen wären, und dass der 1. Tempel genau 3000 Jahre nach Adams Erschaffung und 1000 Jahre vor Christi Geburt fertig gewesen wäre.

Zu diesen Zahlen seien noch einige Bemerkungen gemacht. Der Unterschied zwischen Gal 3:17 und 2Mo 12:40, der darin besteht, dass die in beiden Stellen genannten 430 Jahre von Paulus für die Zeit von der Berufung Abrahams bis zum Auszug aus Ägypten gerechnet werden, während sie nach dem Wortlaut des hebräischen Textes nur vom Aufenthalt Israels in Ägypten gelten, rührt wohl von der ersten Bibelübersetzung her, die es gibt, nämlich der ins Griechische, die man Septuaginta nennt, und die zur Zeit der Apostel im griechischen Sprachgebrauch im allgemeinen Gebrauch war. Diese griechische Übersetzung gibt die genannte Bibelstelle folgendermaßen wieder: "Der Aufenthalt der Kinder Israel in Ägypten UND IM LAND KANAAN betrug 430 Jahre". Wahrscheinlich ist Paulus, als er Gal 3:17 schrieb, diesem griechischen Text gefolgt. Der hebräische Text, wie er jetzt vorliegt, hat die Bemerkung "und im Land Kanaan" nicht. Woher der Unterschied der Texte rührt, lässt sich nicht sagen. Hatte der hebräische Text ursprünglich diese Bemerkung ebenfalls, sodass ihr jetziges Fehlen irgendeinem Umstand zugeschrieben werden müsste, oder ist sie als eine Beifügung im Text der griechischen Übersetzung anzusehen? Kurtz bietet, in seiner aus dem Jahr 1855 stammenden "Geschichte des Alten Bundes" Band 2, S. 14-21, eine ganz eingehende Erörterung dieses Unterschieds und kommt zum Schluss, dass die 430 Jahre sich nur auf den ägyptischen Aufenthalt Israels beziehen könnten. Ob die dort eingeführten Gründe stichhaltig sind, ist aber doch fraglich.

Soviel muss jedenfalls zugegeben werden, dass der Gedanke an eine genau 4 Jahrtausende umfassende Dauer der menschlichen Geschichte bis auf Christi Geburt aufgegeben werden müsste, wenn für die Zeit von Abrahams Berufung bis zum Auszug aus Ägypten, zu den genannten 430 Jahren noch die aus den Angaben im ersten Buch Mose errechneten 215 Jahre der Erzväterzeit hinzugefügt werden müssten. Soviel Gründe aber für eine lange Dauer des ägyptischen Aufenthalts gelten gemacht werden können, so gibt es doch auch gewichtige andere Gründe, die gegen einen fast halbtausendjährigen Aufenthalt in Ägypten sprechen. Auch die rasche Vermehrung in Ägypten ist unter der Voraussetzung des besonderen göttlichen Segens in der halben Zeit erklärbar. Die Freude an einer großen Kinderzahl ist zudem das Natürliche gegenüber der heutigen Abneigung gegen Kinderreichtum. So ist es wohl möglich, dass die alte griechische Übersetzung recht hat, welche die Erzväterzeit in die 430 Jahre einschließt.

Nur gestreift sei eine neutestamentliche Zahlenangabae, die mit Angaben des Alten Testaments nicht zu stimmen scheint: Apg 13:20 wird für die Richterzeit eine ungefähre Dauer von 450 Jahren genannt. Diese Bemerkung würde, wenn sie als fortlaufende Zeitdauer verstanden werden müsste, mit der Angabe 1Kö 6:1 nicht zusammenstimmen, wonach zwischen dem Auszug aus Ägypten und dem Beginn der salomonischen Zeit 480 Jahre fallen. Denn nach der genannten Angabe muss die Richterzeit wesentlich kürzer gewesen sein, da für sie nur so viele Jahre in Betracht kommen, als nach Abzug der Zeit der Wüstenwanderung und Josuas einerseits, und der Zeit Sauls und Davids andererseits noch übrigbleiben. Trotzdem hat, die in der Apg 13:20 genannte Zahl, biblischen Grund. Sie ist die Summe der Zahlen, die im Buch Richter und 1Sam 4:18 als Zeiten der einzelnen Richter genannt werden. Da aber Israel in jener Zeit von verschiedenen Seiten bedroht wurde, und manchmal zu gleicher Zeit die Hilfe verschiedener Richter nötig hatte, so ist die tatsächliche Dauer der Richterzeit kürzer, als sich aus der Addition der einzelnen Zahlen ergibt. Insofern widerspricht sich die Aussage in der Apostelgeschichte und die Zeitangabe im 1. Königsbuch nicht.

Die Teilung des Reichs nach Salomos Tod ist nicht bloß von Dächsel, sondern auch von anderen, so von Kurtz auf 975 v. Chr. angesetzt worden. Der Vergleich der Zahlen für die Könige Judas und Israels, ergibt kein völlig zusammenstimmendes Bild. Kleine Ungenauigkeiten lassen sich erklären aus der Angabe der Regierungszeiten in ganzen Jahren, während doch meist die betr. Jahresgrenze nicht ganz erreicht, oder etwas überschritten wurde. Größere Unterschiede erklären sich durch Zeiten von Mitregentschaft, die doppelt gezählt sein können. Ob aber die biblischen Zeitangaben in so weitgehender Weise nach assyrischen Nachrichten geändert werden dürfen, dass die Teilung des Reichs bis auf 932 v. Chr. herabgesetzt werden darf (s. die der Mengebibel beigegebene Zeittafel), ist doch fraglich.

Einen Anhaltpunkt für die Bemessung der Gesamtdauer der Königszeit, unabhängig von der Summe der jeweiligen Regierungsjahre der Könige, bietet vielleicht eine göttliche Anweisung, die Hesekiel im Anfang seiner prophetischen Tätigkeit auszuführen hatte, noch vor dem Fall Jerusalems. Damals sollte Hesekiel durch eine sinnbildliche Handlung die Zeit der Verschuldung Israels tragen, und zwar für ein Jahr der letzteren, einen Tag lang, die Verschuldung des Nordreichs 390 Tage lang, die des Südreichs (Judas) 40 Tage lang (s. Hes 4:5.6). Weil dieses Stück der prophetischen Tätigkeit Hesekiels in den großen Abschnitt hineingehört, der bestimmt ist, von dem bevorstehenden Fall Jerusalems, als dem Ergebnis seiner schlimmen Entwicklung (Hes 4:4-24), so ist das Natürlichste als Endpunkt der 390 Jahre, den Fall Jerusalems anzunehmen im Jahr 568. Rechnet man von hier 390 Jahre zurück, kommt man auf das Jahr 975 oder 976. Damals trennte sich das Reich, in das Reich Israel und in das Reich Juda; damals richtete der erste König des Nordreichs, Jerobeam, den Kälberdienst in Bethel ein, der in den Königsbüchern immer wieder als die Ursache der schweren Versündigung Israels bezeichnet wird, so zusammenfassend 2Kö 17:2-23. Und die 40 Jahre der Versündigung Judas, könnte angesehen werden als die letzten 40 Jahre vor der Wegführung nach Babylon, die gerade von der prophetischen Tätigkeit Jeremias erfüllt sind. Jeremia wurde als Prophet von Judas Fall berufen (Jer 1). Zwar liegt Judas Versündigung weiter zurück; namentlich die lange Regierung Manasses war unheilvoll. Aber seit Jeremias Berufung war Gottes Gericht auch über Juda beschlossene Sache. - So kann jene prophetische Stelle Hes 4:5 ein Zeugnis sein für die Richtigkeit der Zeitangabe in den Königsbüchern.

Nun sei gerne zugegeben, dass das Interesse an diesen Zahlen kein geschichtliches ist. Sonst hätte die Frage, ob die Teilung des Reichs, 40 Jahre früher oder später stattgefunden habe, und ob in den weiter oben genannten 430 Jahren die Erzväterzeit mit eingerechnet sei oder nicht, kein besonderes Interesse. Das bewegliche Interesse an diesen Fragen hängt daran, dass es sich um einen Blick auf Gottes Regierung handelt, der nicht bloß die alte Zeit umfasst, sondern in die Gegenwart, und in die kommenden Zeit hineinreicht. Denn die Richtigkeit der beiden oben zuerst genannten Möglichkeiten vorausgesetzt, liegt der Schluss sehr nah, dass Gottes Regierung in ganz bestimmte Zeiten eingefasst sei. Das ist zwar in der Schrift als allgemeine Wahrheit manchmal ausgesprochen; aber wenn diese Wahrheit auch am Geschichtsgang selber, genauer: an dessen Zeiten abzulesen wäre, dann wäre sie noch eindringlicher. Nun wäre es gewiss nicht recht, wenn um eines frommen Gedankens willen der Geschichte irgendwie Gewalt angetan würde. Wenn aber die Voraussetzungen, die Anlass zu der genannten ahnenden Erfassung eines göttlichen Geheimnisses gaben, einer ernstlichen Prüfung standhalten, dann darf einem solchen Gedanken nachgegangen werden. Die bisherigen Ausführungen über die alttestamentlichen Zahlenangaben werden gezeigt haben, dass die seit langem übliche Annahme einer 4000-jährigen Dauer der menschlichen Geschichte von Adam bis Christus nicht haltlos ist, auch wenn ein völlig sicherer Nachweis nicht möglich ist.

Das Geheimnis der Regierung Gottes

Im Folgenden sei nun versucht, dem Geheimnis der Regierung Gottes in der menschlichen Geschichte, anhand der Zahlen nachzugehen, aber mit dem Bewusstsein, dass die Zahlen bis Christi Geburt nicht ganz sicher feststehen, so dass ,die im vorliegenden Buch dargebotenen Zahlen betreffend der kommenden Zeit, trotz aller Begründung, ebenfalls keine Sicherheit beanspruchen könne.

Die Menschheit vor Christus musste das Reich Gottes noch entbehren. Es war zwar auch für sie schon bestimmt, aber es wich von der Erde und der Menschheit zurück, als die Sünde, und mit ihr der Tod und die Gewalt des Teufels, ihren Einzug hielt. Auch das alte Israel hatte das Reich Gottes noch nicht; es sollte in seiner vorchristlichen Zeit für dasselbe zugerüstet werden, damit es der erste Empfänger desselben, und dessen Brücke zur Völkerwelt würde. Das Reich Gottes kam ihm nahe; aber erst mit der Geburt Jesu erschien es in Israel. Denn Jesus ist der, in der Menschheit eingetretene, Sohn Gottes. So ist die Welt, nämlich die Welt, die Gottes noch entbehren muss, das Zeichen der ganzen Zeit vor Christus. Die Zahl der Welt ist 4, entsprechend den vier Richtungen der irdisch-räumlichen Welt. Viertausend Jahre musste die Menschheit harren. Dann war die Zeit des Wartens voll geworden, und Gott sandte seinen Sohn (Gal 4:4), damit wir die Kindschaft empfingen und Erben würden seines unvergänglichen Reiches.

Ja, Kinder! Aber das Reich in seiner Vollgestalt ist noch nicht erschienen. Es steht als Erbschaft bereit für die, welche Kinder geworden sind. Aber das Erbe muss erst angetreten werden. Angetreten kann es erst werden, wenn der große Ruf erschallt: siehe, ich mache alles neu! (Offb 21:5) Aber fern von der Erde ist das Reich Gottes seit Christi Kommen doch nicht mehr; in seiner Niedrigkeitsgestalt ist es bereits vorhanden, und diese Niedrigkeitsgestalt soll noch auf der alten Erde sich wandeln in eine gewisse Hoheit. Drei Jahrtausende sind hierfür vorgesehen; zwei davon fallen auf die Zeit der Verborgenheit, wo es nur im Glauben wahrgenommen und empfangen wird; eines steht noch aus, wo sein Glanz noch die sünden- und schuldbefleckte Erde verklären soll, aber ohne dass der Abbruch der ganzen alten Welt dadurch verhindert wird. 4 = die Zahl der Welt, 3 = die Zahl Gottes. Wo Gott sich zur Welt wendet in erbarmender Liebe, da kommt etwas Heiliges zustande. Darum ist 7 die heilige Zahl. In 7 Jahrtausenden kommt die Geschichte der Menschheit, während der alten Schöpfung, zur Vollendung. Dann wird sie hinüber geleitet in die neue Schöpfung.

7 ist die Zahl des Schaffens Gottes an der Welt. Es ist ein mühevolles Schaffen. Nicht weil ihm die Kraft mangelte. Aber Er muss ringen mit dem menschlichen Nichtwollen und der menschlichen Sünde, die beide durch das satanische Eingreifen einen übergroßen Ernst erhalten. Aber Er siegt: darum folgt auf das mühevolle Ringen die Ruhe. Die Woche mit ihren 6 Werktagen und dem Ruhetag danach, ist darum das Zeichen der Arbeit Gottes an der Welt. Bei der christlichen Woche steht die Ruhe freilich voran; aber der Sonntag als Ruhetag, ist ja bereits eine Vorwegnahme der kommenden Welt, im Glauben dankbar zu genießen. Die jetzige Weltordnung verläuft noch nach der ursprünglichen Form der Woche, der zufolge die Ruhe am Schluss kommt. Dass damit nichts gegen die christliche Feier des Sonntags an Stelle des Sabbats gesagt ist, wird nicht erst ausgesprochen werden müssen. In diesem Zusammenhang erhellt auch, warum dem 1000jährigen Reich eine solche Bedeutung zukommt. Dieses Reich schließt die mühe- und sündenvolle Menschheitswoche erst ab. Würde das, was man gewöhnlich Ewigkeit nennt, sich ohne dieses Reich unmittelbar an die sündige Jammergeschichte der Menschheit, die in der antichristlichen Zeit ihren Gipfelpunkt erreicht, anschließen, dann gliche die menschliche Geschichte einer Woche, welcher der Sabbat fehlt. Aber wenn dann Gott durch Christum die neue Welt schafft, dann wiederholt sich der schwere Verlauf der Menschheitswoche nicht noch einmal; sondern dann ist der ewige Sonntag angebrochen, die Ruhe, die kein Ende hat.

Die Zeit des Reiches Gottes in seiner noch irdischen Gestalt steht in der Mitte zwischen der christuslosen Zeit und der Herrlichkeitsgestalt des Reiches Gottes, die sich dann ganz ausgestaltet haben wird, wenn der Sohn Gottes, der erstgeborene Bruder inmitten der großen Brüderschar, und Gott alles in allen und in allem sein wird. Und wiederum in der Mitte zwischen der Niedrigkeitsgestalt des Reichs und seiner Herrlichkeit steht das 1000-jährige Reich, das noch an der ersten Gestalt Anteil hat, aber bereits der Beginn der Herrlichkeit ist. Diesem großen Ereignis gehen wir entgegen, schneller als die meisten glauben. Es ist der Höhepunkt der Menschheitsgeschichte im noch unverklärten Stand. Schon vor dem Kommen Christi wurde einmal ein Höhepunkt erreicht: das war damals, als endlich die Gegenwart Gottes dem Volk Israel nach einer Menge von Hemmungen nähertreten konnte im Tempel. Die Tempelweihe Salomos steht bei den genannten Zahlen in der Mitte zwischen dem Augenblick, da Gott den ersten Menschen mit dem Hauch seines lebenschaffenden Geistes, in die für ihn zubereitete Welt hineinstellte, und zwischen dem Augenblick, da er seinen Sohn aus der langen Verborgenheit wieder senden wird, um die große Wendung der Menschheitsgeschichte herbeizuführen. Zugleich wird das auch die Zeit sein, da der von Hesekiel geschaute Tempel ersteht (Hes 40-48).

Ein kleiner Gedanke: von der Schlacht bei Karchemisch an, die wohl 605 v. Chr. stattfand, und die Babylons Weltherrschaft begründete bzw. sicherte, büßte Israel seine Selbstständigkeit ein. Ist es zufällig, dass von da bis zu Christi Kommen zu seinem Volk gerade 600 Jahre vergingen? Das waren 6 Jahrhunderte, der größten Werktagsmühsal gleich. Mit dem Kommen seines Königs brach für Israel der Sabbat an, genauer ein Sabbatjahrhundert. Dass es sich nicht dazu ausgestaltet hat, lag nicht am Willen Gottes, sondern am Nichtwollen Israels (Mt 23:37). Haben die Nachrichten aus der alten Kirche, die besagen, dass Johannes zu des Kaisers Domitians Zeit die Offenbarung erhalten habe, recht, dann ergäbe sich eine weitere geschichtliche Beziehung, die in die gleiche Richtung weist. Denn das damalige Eingreifen Domitians gegen die Christen fällt in das Jahr 95 n. Chr. Mit diesem Jahr schlossen die ersten 100 Jahre seit Christi Geburt ab, und wenn wir den begonnenen Gedankengang zu Ende führen, Israels Sabbatjahrhundert. Vielleicht entschied sich in jener Zeit die Bannung der judenchristlichen Gemeinde durch ihre, dem Judentum verfallenen Brüder nach dem Fleisch. Anzeichen für diesen Gedanken bietet die früher erwähnte Schrift Schlatters über die Kirche Jerusalems zwischen 70 und 130 n. Chr. Israel trat seinen Gang an in die Nacht, und die Gemeinde Jesu in der Heidenwelt, ihren Weg in die Dämmerung, und Dunkel und Nacht wurde noch das Licht mitgegeben, das in der Offenbarung enthalten ist, und das aus dem Sabbatjahrhundert hinüber leuchtet in das Sabbatjahrtausend und in den ewigen Sabbat, dessen Jahre nicht mehr gezählt werden müssen und können.

Es sei noch eine Zusammenfassung der Zeiten genannt, die zwar nicht völlig, aber doch in der Hautsache an die gegebenen Zahlen anschließen würde. Abrahams Geburt fällt nahezu in die Mitte zwischen Adam und Christus. Da nun die Berufung Abrahams auf die Menschheitsgeschichte so tiefgehenden Einfluss ausgeübt hat, so ergeben sich drei fast gleich lange Zeiten, die Vorstufen des 1000-jährigen Reiches sind. Einmal die Zeit bis Abraham, da Gott sich noch um die Gesamtmenschheit mühte. Aber die widergöttliche Menschheitsorganisation des alten Babel, und das dadurch veranlasste gerichtliche Eingreifen Gottes, das die Menschheit auseinander trieb, schloss diese Zeit ab. Es folgte der zweite Zeitraum, da Gott die Völker ihren eigenen Wege gehen ließ, wiewohl Er sich ihnen noch durch viele Wohltaten, und durch das Gewissen bezeugte, wo Er dagegen das eine Volk Israel hervorhob, und sich mit ihm in einer Weise abgab, als ob Er nur für dieses eine Volk da wäre, während Er doch nicht nur der Juden, sondern auch der Völker Gott ist (Röm 3:29). Es folgte der dritte Zeitraum, wo Er die Völker wieder herbeiholen wollte durch Israel unter seinem Sohn, wo aber Israel als Ganzes versagte. Er holte sie doch, und das Evangelium drang in die Völkerwelt, schwer gehemmt durch der Völker verkehrte Art, und doch nicht umsonst. Dafür stellte er Israel auf die Seite und ins Dunkel. Die Rollen wurden vertauscht. Wir stehen am Ende dieses Zeitraums, was schon daraus hervorgeht, dass Israel nicht mehr auf der Seite steht, sondern, freilich zuerst in widergöttlicher Weise, in die Herrscherstellung eintritt. Aber auch auf diese Weise muss das Ziel der Menschheitsgeschichte vorbereitet werden, dass nämlich die Menschheit im letzten irdischen Abschnitt ihrer Geschichte, unter Gottes und Christi unmittelbares Regiment gestellt werde. Und die berufenen Helfer hierzu sind das bekehrte Israel und die verklärte Gemeinde aus der Völkerwelt, zu welch letzterer natürlich auch alle gläubigen Glieder Israels gehören, die vor dem Kommen des 1000jährigen Reichs ihren irdischen Lauf vollendet haben. Im einen Fall teilt sich die irdische Menschheitswoche in 4 + 3 Tage, wobei der letztere Posten sich wieder in 2 + 1 zerlegt; im zweiten Fall in 6 + Tage, wobei der erste Posten aus 2 + 2 + 2 besteht. Beide Überblicke stehen in innerem Zusammenhang miteinander; beide münden in die Summe aus: 6 + 1.

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IV. Teil
Das Reich Gottes auf Erden