Apokalypse: Einleitung

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Abschrift des Buches:
"Die Apokalypse oder der Tag des Herrn"
Verfasser: E. W. Bullinger (1902)

Inhaltsverzeichnis

In Bearbeitung

Einleitung

Viele Bibelleser behandeln die Heilige Schrift, als wäre sie ein Fixierbild, auf dem es ein Gesicht, einen Mann oder sonst etwas zu suchen gibt. Welchen Teil der Bibel sie auch lesen mögen, immer heißt es: Wo ist die Gemeinde? Denn da das "Wort der Wahrheit" nicht mehr recht geteilt, oder überhaupt nicht geteilt wird, so setzen sie voraus, die ganze Bibel handele von jedermann, in jedem ihrer Teile und in jedem Zeitabschnitt. Und die Gemeinde ist ihnen überall die Voraussetzung.

Das kommt her von der uns angeborenen Selbstsucht. "Wir" gehören zur Gemeinde, und darum nehmen "wir" alles, was "wir" lesen, für uns in Anspruch und zögern nicht, andern zu rauben, was ihnen zukommt.

Schlägt man z.B. die Bibel, den Propheten Jesaja, auf, so liest man in den Überschriften der Seiten bei Jes 29 und Jes 30: "Gericht über Jerusalem" und "Gottes Gnade über Seine Gemeinde. (So heißt es in der englischen Bibelübersetzung, nicht in der deutschen.) Das ist in der Tat ein Teilen des Wortes nach Menschenart. Aber ob das Wort so "recht geteilt" ist? Das Buch soll "das Gesicht Jesajas sein,"welches er sah von Juda und Jerusalem". Und doch wird trotzdem der Segen von Juda und Jerusalem fortgenommen und der Gemeinde gegeben, während Flüche und Gericht freundlich "Juda und Jerusalem" überlassen bleiben.

Nach diesem Auslegungssystem ist die Bibel wertlos für die Zwecke der göttlichen Offenbarung. Sie wird zum Spott ihrer Feinde, zum Schauplatz für die Angriffe der Ungläubigen, ein Stein des Anstoßes sogar für ihre Freunde. Und doch wird die Apokalypse gewöhnlich nach demselben Grundsatz behandelt. Überall wird die Gemeinde hereingezogen: Johannes (Offb 4:1) stellt die Gemeinde dar; die Lebewesen oder Cherubim (Offb 4) sind die Gemeinde; die vierundzwanzig Ältesten (Offb 4:5) sind die Gemeinde; die 144 000 (Offb 7) sind die Gemeinde. (Obwohl ausdrücklich gesagt wird, dass sie "von allen Geschlechtern der Kinder Israels" sind. Wären sie zum Gericht versiegelt worden, so hätte man wohl niemals behauptet, dass "die Kirche" damit gemeint wäre.) Die große Schar (Offb 7.) ist die Gemeinde; "das Weib mit der Sonne bekleidet" (Offb 12) ist die Gemeinde; das Knäblein (Offb 12) ist die Gemeinde; die Braut (Offb 19) ist die Gemeinde; das "neue Jerusalem" (Offb 21) ist die Gemeinde; die "sieben Gemeinden" sind auch Gemeinde. - So treiben sie es weiter, bis der Leser des Buches ganz verwirrt und entmutigt ist. Da ist es kein Wunder, dass das Buch nicht viel gelesen wird. Man müsste sich vielmehr wundern, wenn es anders wäre.

Der Zweck unserer Auslegung soll es nun sein, alle, die dieses Weissagungsbuch verstehen möchten, aus dem Sumpf der Überlieferung emporzuheben.

Wir glauben unser Ziel am besten zu erreichen, wenn wir von der üblichen Weise der Auslegung abgehen, und die Auslegung der Worte, Sätze und Verse so lange anstehen lassen, bis wir den Zweck des Buches kennen gelernt haben und über den großen Grundgedanken gewiss geworden sind, auf dem sich die ganze Auslegung aufbauen muss.

Vor allem glauben wir, und müssen wir glauben, 1. dass Gott das wirklich meint, was Er sagt, und 2. dass jedes Wort, das Er spricht, seine Bedeutung hat. Alle Seine Werke und alle Seine Worte sind vollkommen in ihrer Wahl, Anordnung und Stellung, so vollkommen, dass, wenn Er ein Wort oder eine Wendung gebraucht, auch ein Grund vorhanden ist, warum andere nicht gepasst haben würden.

Auf diesem Grunde werden wir unsere Thesen oder Behauptungen aufstellen und bitten unsere Leser, sich nicht durch die bloße Angabe derselben schon stutzig machen zu lassen, sondern mit betendem Sinn unsere Gründe zu prüfen. Auch mögen unsere Leser bedenken, dass, wenn auch einige Gründe an sich selbst schon genügen, um unsere Stellung zu befestigen, doch die durchleuchtende Klarheit von dem Gesamteindruck abhängt. Unser großer Fundamentalgrundsatz lautet:

Die Gemeinde ist nicht Gegenstand der Apokalypse.

Wie überraschend das auch manchem unserer Leser klingen mag, wir bitten dringend, diese Behauptung nicht zu verwerfen, sondern die Gründe zu prüfen, die wir aus Gottes Wort selbst dafür geben werden, und sie abzuwägen auf der Waage des Heiligtums. Man suche alles durch die Tradition Angenommene zu vergessen und frage sich, von wem man dieses oder jenes gelernt hat. Man sei bereit, alles von Menschen Erlernte zu vergessen und frisch aus dem Wort Gottes selbst zu schöpfen.

Unser erster Punkt zum Beweis unserer großen Behauptung:

Die Dreiteilung der Bibel